Schloss der Liebe
Roger war ein noch größerer Hohlkopf, als Hastings gedacht hatte.
»Die Außenmauern sind immer noch nicht gerichtet«, stellte Severin fest, schob den Zinnteller zur Seite und lehnte sich über den Tisch. »Wieso?«
»Ich habe nicht genüg Leute zur Verfügung, Mylord.«
»Gwent sagt mir, Ihr habt neunzehn Männer. Was tun die den ganzen Tag über?«
»Sie patrouillieren durch die Gegend und vervollkommnen ihr Geschick auf dem Turnierplatz.«
»Ab morgen werden die Männer in drei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe übt auf dem Turnierplatz, eine patrouilliert, und die dritte wird mit den Reparaturen beginnen.«
Sir Roger schluckte.
»Von dem Geld, das ich Euch gesandt habe, hätten mit Leichtigkeit Arbeiter aus den umliegenden Dörfern dafür bezahlt werden können, bei den Reparaturen zu helfen. Was habt Ihr mit dem Geld gemacht, Sir Roger?«
»Wie ich schon sagte, Mylord, die Mittel reichten so eben, um für Kleidung und Essen zu sorgen.«
»Ich habe die Diener gesehen. Sie laufen in schmutzigen, verschlissenen Sachen herum. Sogar meine Mutter trug nur Lumpen am Körper. Wenn Ihr das Geld für neue Kleidung ausgegeben habt - wer trägt sie dann?«
»Was für einen Sinn hätte es, Eurer lieben Mutter neue Kleider zu kaufen, Mylord? Sie ist geisteskrank. Sie merkt ohnehin nicht, ob sie ein schönes neues Gewand trägt oder einen Kartoffelsack.«
Betont ruhig warf Hastings ein: »Was ist mit Lady Moraines Kleidern geschehen? In der kleinen Truhe in ihrer Kammer konnte ich nur Lumpen finden.«
»Wer ist Lady Moraine?«, wandte sich Glenda flüsternd an Sir Rogers.
»Das ist die Dame, die Ihr so ins Herz geschlossen habt«, sagte Hastings. »Die bedauernswerte Geisteskranke, um die ihr euch so liebevoll und aufopfernd kümmert.«
»Glenda kannte den Namen Eurer Mutter nicht, Mylord. Das hat nichts zu bedeuten.«
»Wo sind Lady Moraines Kleider?«, wollte Severin wissen.
Hastings ahnte bereits, wo sie sich befanden. »Ach«, flötete sie mit sanfter Stimme, »ich vermute, dass ihre Sachen sich in einer der Truhen im großen Schlafzimmer befinden?«
»Ja, ganz recht«, beeilte sich Glenda zu bestätigen. »Es gab keinen Grund, warum die arme kranke Frau diese Gewänder tragen sollte, also habe ich sie sicher aufbewahrt, damit sie sie nicht zerfetzen konnte.«
»Das Kleid, das Ihr gerade tragt, ist eines davon«, sagte Hastings.
»O nein«, wies Glenda diese Vermutung weit von sich. »Die alten, hässlichen Sachen der Lady würde ich niemals anziehen.«
»Ich wünsche eine Auflistung der Ausgaben, die Ihr mit meinem Geld vorgenommen habt, Sir Roger.«
»Wir haben hier keinen Verwalter, Mylord.«
»Dann werdet Ihr mir eben Eure eigenen Aufzeichnungen zeigen.«
Zögernd erhob sich Sir Roger. Er schwitzte. »Genau gesagt, Mylord, habe ich noch nicht alles ausgegeben. Ich habe das Geld zusammengehalten. Es widerstrebt mir, es für unnütze Dinge wegzuwerfen. Als vorsichtiger Mann liegt es mir am Herzen, die Mittel sinnvoll zu verwenden.«
Auch Severin stand auf, ganz langsam. Er stieß den schweren Armsessel zurück. Groß und grimmig stand er da, ganz in Grau, seine Peitsche um die Hand gewickelt, mit einem Gesichtsausdruck, den selbst Hastings nicht deuten konnte. Sie konnte förmlich fühlen, wie die Angst Sir Roger das Blut in den Adern gefrieren ließ. Schweigend wartete sie und beobachtete ihren Mann.
Er trat vor Sir Roger hin, packte ihn bei seiner Tunika und hob ihn hoch. Ohne ihn loszulassen, sagte er ruhig und bestimmt: »Ihr werdet jetzt auf der Stelle das Geld holen und mir Eure Aufzeichnungen bringen. Und zwar hierher.«
Damit schüttelte er ihn und ließ ihn los. Dann wandte er sich an Glenda, deren Selbstgefälligkeit sichtlich geschwunden war. »Und Ihr geht alle Eure Kleider holen. Jetzt.«
Er rührte sie nicht an, sondern behielt sie nur im Auge, während sie von der Bank rutschte und in Richtung Treppe eilte.
Zu Hastings Überraschung drehte Severin sich zu ihr um und zwinkerte ihr zu. »Bald, sehr bald werden wir Ordnung in dieses Durcheinander gebracht haben.«
Hastings fiel plötzlich ein, wie sie ihn das erste Mal im Großen Saal von Oxborough hatte stehen sehen. Was sie am meisten erschreckt hatte, war diese Reglosigkeit, diese vollkommene Beherrschung gewesen. Und nun war er ihr Ehemann, ihr Geliebter. Er hatte eben zwei Bösewichte zu Tode erschreckt und ihr zugezwinkert.
Ihr Herz schwoll vor Stolz und Glück.
Kapitel Sechzehn
Glenda war nicht auf den Kopf gefallen.
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