Schloss der Liebe
hatte er sie nie im Großen Saal essen lassen?
Glenda schien völlig unberührt von dem, was sich an der Tafel des Burgherren abspielte. Ungerührt hielt sie den Blick auf ihren Holzteller gerichtet und stieß ihr Messer in ein dickes Stück Brot. Er musste Hastings fragen, was hier vor sich ging. Was war zwischen Glenda und seiner Mutter vorgefallen?
Die Antwort darauf sollte er noch am Nachmittag desselben Tages erhalten, als er zufällig seinen Platz bei den Männern verließ, die dabei waren, die westlichen Außenmauern aus zu bessern, damit Hastings einen Schnitt, den er sich an seinem Daumen zugefügt hatte, säubern und verbinden konnte. Eigentlich war es Gwent gewesen, der ihn zu seiner Frau geschickt hatte.
»Mylord«, hatte er beim Anblick des blutenden Daumens gesagt, »deine Frau verarbeitet meine Zehen zu Mulch, wenn ich dich nicht zu ihr schicke.«
So kam es, dass er an die offene Tür des großen Schlafgemachs trat. Man hörte Stimmen von innen, und er wollte gerade eintreten, als er die Stimme seiner Mutter erkannte. Es war nicht die Stimme, die er noch am Morgen gehört hatte. Nein, diese Stimme war leise und zaghaft, sie klang so ängstlich, dass sich ihm die Nackenhaare aufstellten.
»Ich kenne Sir Roger, seit er ein kleiner Junge war. Er war ein lieber Junge, wenn auch etwas langsam; sein Vater zwang ihn, Ritter zu werden. Er war Euch nie gewachsen. Ihr habt einen Hanswurst aus ihm gemacht, aber ihr werdet ihn nicht bekommen, das wird mein Sohn nicht zulassen. Ihr habt gedacht, ich würde sterben, nicht wahr, als ihr mich ohne Schuhe und Mantel in den Wald gejagt habt?«
»Ganz recht«, sagte Glenda, deren Stimme alles andere als verängstigt, sondern gehässig und entschlossen klang. »Es wird mir schon noch gelingen, dich altes Weib loszuwerden. Du hast hier nichts mehr verloren. Sobald Lord Severin und seine Hexe Langthorne verlassen, habe ich hier wieder das Sagen, und dann wirst du ja sehen, wer die wahre Herrin von Langthorne ist. Bis dahin werde ich mich jedoch still verhalten. Leider bleibt mir keine andere Wahl, als weiterhin meine Kleider für dich umzuändern, aber sobald wir wieder allein sind, wird die alte Krähe wieder das am Leib tragen, was ihr zusteht - Fetzen und Lumpen. Es dreht mir den Magen um, wenn ich sehen muss, wie sauberes Wasser an dich verschwendet wird. Wart nur ab, du wirst es schon sehen. Bald ist dein Sohn wieder weit weg. Denk nur nicht, dass dir irgendwer glauben wird! Alle warten doch bloß darauf, dass du endgültig dem Schwachsinn verfällst. Niemand wird dir ein Wort glauben, was auch immer du über mich erzählen könntest.«
Dann hörte er, wie jemand geohrfeigt wurde. Er stieß die Tür auf und sah, wie Glenda sich über seine Mutter beugte, die in auf einem schmalen Lehnsessel saß.
Glenda hielt ihre Arme fest und näherte sich ihr drohend, während sich seine Mutter gegen die Lehne presste.
»Na, los doch, du hässliches altes Weib. Warum schreist du nicht ein bisschen, verrückte alte Schachtel?«
Kapitel Siebzehn
Wenn Severin innerlich auch vor Wut kochte, war er äußerlich doch so ruhig wie Robert Burnell, der Kanzler des Königs. Er betrat das Zimmer und sah, wie Glenda herumfuhr und ihr Gesicht erstarrte. Vorsichtig einen Schritt hinter den anderen setzend, wich sie von dem Lehnstuhl zurück. Ohne etwas zu sagen, ging er lächelnd auf seine Mutter zu.
»Du siehst großartig aus, Mutter«, sagte er und beugte sich herab, um sie zu küssen.
Sie sah völlig verängstigt aus. Immer noch lächelnd, strich er ihr mit den Fingerspitzen über die bleiche Wange. Über die Schulter rief er: »Glenda, kommt her!«
Aus dem Gesicht seiner Mutter wich auch noch die letzte Farbe. »Ich will nicht, dass sie näher kommt«, flüsterte Lady Marjorie. »Bitte, Severin, lass sie nicht mehr in meine Nähe.«
»Mach dir keine Sorgen, Mutter. Lass sie nur herkommen. Du musst mir vertrauen.« Er wandte sich an die junge Frau neben ihm, die die Arme unter den Brüsten verschränkt hielt und sie ihm verführerisch entgegendrängte.
»Ich stand vor der Tür. Sie war nur angelehnt. Und ich konnte hören, was Ihr zu meiner Mutter gesagt habt.«
Das Mädchen rührte sich nicht. Unschuldig lächelte sie zu ihm hinauf und glaubte ihm offenbar kein Wort. »Ich sagte ihr gerade, wie gut sie aussieht. Ich sagte, dass ich ihr mit großem Vergnügen noch mehr Kleider nähen würde. Das ist es, was Ihr gehört habt, nicht wahr, Mylord?«
»Mein getreuer Begleiter
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