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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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hielten es fest und sahen auf.
    Im Hause hatte sich die Haupttür geöffnet, und aus ihr
    trat schnell und energisch eine rothaarige Frau. Sie kam
    rasch auf uns zu. „Was machen Sie da mit dem Kind?“
    fragte sie, ohne Begrüßung.
    Ich nahm den Hut ab. „Guten Tag!“ sagte ich höflich.
    Die Frau sah mich nicht einmal an. „Was haben Sie mit
    dem Kind! Was tut das Kind bei Ihnen?“ — „Es ist hier
    aus dem Haus gelaufen und hat geweint“, sagte Karlchen.
    „Das Kind ist ein Ausreißer und ein Tunichtgut. Es ist
    heute schon einmal weggelaufen. Geben Sie das Kind her
    und kümmern Sie sich nicht um Sachen, die Sie nichts
    angehn!“ — „Langsam, langsam“, sagte ich. „Das Kind hat
    so furchtbar geweint; es behauptet, Sie hätten es geschla-
    gen.“ Die Frau sah mir fest ins Gesicht, kampfbereit. „Ich?
    ich habe es nicht geschlagen. Hier werden keine Kinder
    geschlagen. Ich habe die elterliche Gewalt über das Kind,
    ich habe das schriftlich. Was fällt Ihnen denn ein? Bei mir
    herrscht Zucht und Ordnung … hetzen Sie mir hier nicht
    die Kinder auf! — Das ist mein Haus!“ schrie sie plötzlich
    laut und deutete auf das Gebäude. „Das mag sein“, sagte
    ich. „Aber hier stimmt doch etwas nicht — das Kind
    kommt in Todesangst da herausgelaufen und …“ Die Frau
    riß das Kind an der Hand und blitzte mich böse an; in ih-
    ren grünen Augen stand ein Flämmchen.
    „Du kommst jetzt mit“, sagte sie zum Kind. „Sofort!
    Und Sie gehen! Los!“ — „Es wäre hübsch,“ sagte Karlchen
    langsam, „wenn Sie etwas höflicher mit uns sprechen woll-
    ten.“ — „Mit Ihnen spreche ich überhaupt nicht“, sagte die
    Frau. Die Prinzessin hatte sich niedergebeugt, sie wischte
    dem Kind, das bleich geworden war, die Tränen ab. „Was
    tuscheln Sie da mit dem Kind?“ schrie die Frau. „Sie haben
    gar nichts zu flüstern! Sie sind nicht für das Kind verant-
    wortlich — ich bin es! Ich bin hier die Leiterin — ich bin
    das! Ich!“ In den Augen das Flämmchen … Hitze strahlte
    von der Person aus.
    „Ich glaube, wir lassen die Dame —“ sagte Karlchen.
    Die Frau riß abermals an dem Kind; sie riß wie an einer
    Sache; ich fühlte: sie meinte nicht das Mädchen, sie meinte
    ihre Herrschaft über das Mädchen. Das Kind war grün vor
    Angst, sie zog es hinter sich her; niemand sprach. Jetzt
    war sie am Haus. Ich machte eine halbe Bewegung, als
    wollte ich etwas aufhalten … nun verschwanden die bei-
    den durch die große Tür, die Tür schloß sich, ein Schlüssel
    knirschte. Aus.
    Da standen wir. „Ganz hübsch …“ sagte Karlchen. Die
    Prinzessin steckte ihr Taschentuch fort. „Ihr seid alle beide
    kolossale Esel“, sagte sie energisch. „Gut,“ sagte ich, „aber
    warum?“ — „Kommt mit.“
    Wir gingen ein Stück in den Wald hinein. „Ihr …“ sagte
    die Prinzessin. „Krieg können wir hier nicht machen, das
    sehe ich ja ein. Aber wir wollen doch dem Kind helfen,
    nicht wahr? Na, und wie heißt die Mama?“ — „Collin.
    Frau Collin“, sagte ich sehr stolz. „Gut — und wie willst
    du helfen?“ Ja, das war richtig. Wir wußten ja die Adresse
    nicht. Zürich … Zürich … was hatte das Kind da gesagt?
    „Ich habe ihr leise gesagt,“ fuhr die Prinzessin fort, „wir
    kämen nach einer halben Stunde an das Haus — sie soll
    versuchen, uns auf einem Zettel die Adresse herauszu-
    schmuggeln. Ich kann mi nich denken, daß den klappen
    wird — das ahme Kind is szu un szu verängstigt. Na … wir
    könn sche ma sehn … Nein, is das ein Drachen! De is aber
    wedderböstig! Sie spuckt gliks Füer ut!“
    „Eine famose Frau“, sagte Karlchen. „Die möchte man
    heiraten. Also ich muß ja sagen … ich muß ja schon sa-
    gen …“ — „Legen wir uns ein bißchen auf die Wiese“,
    sagte die Prinzessin. Wir legten uns.
    „Hast du das gesehn, Karlchen,“ sagte ich; „der Alten
    haben sich richtig die Haare gesträubt! Ich habe so etwas
    noch nie gesehn …“ — „Man kann den Hintern schmin-
    ken, wie man will,“ sagte Karlchen, „es wird kein ordent-
    liches Gesicht daraus. Die Frau …“ — „Still!“ sagte die
    Prinzessin. Wir lauschten. Aus dem Haus, das ein Stück
    zurücklag, drang eine Stimme, eine hohe, keifende Stimme.
    Man konnte nicht verstehn, was da gesagt wurde — man
    konnte nur hören, daß jemand erregt schrie. Mir wurde
    heiß. Vielleicht schlug sie das Kind —
    „Äh“, machte Karlchen. Die Wiese verschwand, wie
    durch einen Nebel

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