Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
Vom Netzwerk:
…“ — „Er ist ein gesprochener Casanova“,
    sagte die Prinzessin. „Du, Alte — “ sagte ich, „manchmal
    läßt er seinen lieben Worten auch Taten folgen, und dann
    geht es gar heiter zu.“ Karlchen lächelte, wie wenn von ei-
    nem ganz andern wilden Mann gesprochen würde, und wir
    entkorkten mit einem weithin hörbaren Flupp den Whisky,
    woraufhin Karlchen zum ‚Herrn Fluppke‘ ernannt wurde,
    und dann saßen wir und tranken gar nicht viel. Wir re-
    deten uns besoffen. Die vier Windlichter bewegen sich in
    dem schwachen Luftzug.
    „Rauch nur deine Pfeife!“ sagte Karlchen. „Rauch nur!
    Er verträgt doch kein Nikotin, Prinzessin! Ist die Pfeife
    etwa neu?“ — „Das ist es ja eben“, sagte ich. „Ich muß sie
    anrauchen. Mensch, Pfeifen anrauchen …“ — „Kann man
    das nicht mit Maschinen?“ fragte die Prinzessin. „Ich habe
    mal sowas gehört.“ — „Man kann es mit Maschinen“, sagte
    Karlchen. „Ich hatte einen Schulfreund, in der Oberprima,
    der hatte erfunden, Pfeifen mit der Luftpumpe anzurau-
    chen. Ich weiß nicht mehr, wie er das gemacht hat — aber
    er machte es. Ich hatte ihm meine neue Pfeife gegeben, eine
    wundervolle neue Pfeife. Und da muß er wohl zu stark mit
    der Pumpe gearbeitet haben … und da hat sich die Pfeife
    selbst ausgeraucht, und es blieb überhaupt nichts weiter
    von ihr übrig als ein Häufchen Asche. Er hat mir eine neue
    kaufen müssen. Mir ist diese Pfeifengeschichte immer sehr
    symbolisch vorgekommen … Ja. Aber wofür symbolisch:
    das habe ich vergessen.“ Wir schwiegen, tief sinnend.
    „Ein Esel“, sagte die Prinzessin. Wir wollten protestie-
    ren — aber sie meinte einen richtigen, der da hinter den
    Bäumen hervorkam. Er wollte wohl auch einen Whisky
    haben. Wir standen gleich auf und streichelten ihn, aber
    Esel wollen nicht gestreichelt werden; ein weiser Mann
    hat herausgefunden, es sei das Unglück der Esel, Esel zu
    heißen — denn nur deshalb würden sie so schlecht be-
    handelt. Diesen behandelten wir gut und nannten ihn
    Joachim. Und wir spielten ihm Grammophon vor … „Spiel
    mal büschen was aus Kaahmen — “ sagte die Prinzessin.
    „Nein! Spiel das mit die kleinen Gnomens …!“ Da war ein
    Musikstück, das hatte so einen kleinen, hüpfenden Marsch-
    rhythmus, und die Prinzessin behauptete, dazu müßte eine
    Pantomime vonstatten gehn, in der kleine Zwerglein mit
    Laternlein über die Bühne huschten. Ich drehte die Platte
    mit den Gnomen an, der Apparat lief, der Esel fraß Gras
    dazu, wir tranken Whisky, und: — „Mir auch noch einen
    Zahn voll!“ sagte Karlchen. Und die Prinzessin aß zum
    Nachtisch Käse mit Sellerie, das hatte ihr ein großer Gour-
    met empfohlen. „Wie schmeckt es?“ fragte Karlchen. „Es
    schmeckt — “ die Prinzessin probierte langsam und sorg-
    fältig — „es schmeckt wie schmutzige Wäsche.“ Mißbilli-
    gend schlug selbst Joachim mit dem Schweife.
    Und dann sangen wir ihm alles vor, was wir wußten,
    und das war eine ganze Menge.
    „King Salomon has threehundred wives
    and that’s the reason why
    he always missed his morning train
    kissing them all good-bye!“
    — „Muh!“ machte der Esel und wurde verwarnt, denn
    er war doch keine Kuh, Karlchen blies stille Weisen auf
    einem Kamm mit Seidenpapier und begehrte stürmisch,
    im Chantant zu gehen … die Prinzessin lachte viel und
    manchmal würdelos laut, und ich war, wie jeder von uns,
    der einzig Nüchterne in diesem Hallo.
    Bevor wir zu Bett gingen: „Lydia — er soll nicht wieder
    Postkarten schreiben! Immer schreibt er Karten.“ — „Was
    für …?“ fragte sie. „Wenn er abreist, dann kommen am
    nächsten Tag ganz wahnwitzige Postkarten an, die schreibt
    er im Zug — das ist so seine Art, Abschied zu nehmen.
    Er soll das nicht; es regt mich so auf!“ — „Herr Karlchen,
    schwören Sie, daß Sie uns diesmal keine Karten schreiben
    werden?“ — Er gab sein kleines gießener Ehrenwort. Wir
    trollten in die Heija.
    Und brachten ihn am nächsten Abend an den Bahnhof,
    zu dem kleinen Schnaufewagen, und die beiden gaben sich
    einen Abschiedskuß, der mir reichlich lang erschien. Und
    dann mußte er einsteigen, und wir standen am Wagen und
    gaben ihm durch das Fenster kluge Ratschläge auf den
    Weg, und er fletschte uns an, und als der Wagen anfuhr,
    sprach er freundlich: „Fritzchen, ich habe deine Zahnpaste
    mitgenommen!“ und ich warf vor Aufregung meinen Hut
    nach ihm, und der trudelte beinahe unter die

Weitere Kostenlose Bücher