Schloss meiner Sehnsucht
die hat uns Klarheit verschafft: Es handelt sich zweifelsfrei um ein Karzinom.“
„Nein!“ Joachim von Sternburg begriff rascher als sein Sohn, was das bedeutete. Kurz hatte Professor Scholl die Befürchtung, der Graf würde ohnmächtig werden, doch gleich hatte Joachim sich wieder in der Gewalt.
„Was ist jetzt zu tun?“
„Bestrahlung. Chemotherapie eventuell. Das müssen wir abwarten. Noch ist der Tumor klein. Zum Glück. Aber man muss ihn energisch und ganz gezielt bekämpfen.“ Der Arzt hielt nicht viel davon, falsche Versprechungen zu machen. Nur wenn ein Patient begriff, dass die moderne Medizin viel vermochte, dass dies aber auch mit unangenehmen Begleiterscheinungen verbunden war, konnte eine Behandlung greifen.
„Und wenn das alles nichts hilft...“ Volker biss sich auf die Lippen. Endlich war auch ihm klar geworden, was die Diagnose bedeutete. „Dann muss ich wohl sterben.“
„Davon kann gar keine Rede sein. Es gibt noch... die Amputation. Aber wie gesagt – erst mal schöpfen wir alle anderen Möglichkeiten aus. Sie sind doch einverstanden?“
„Hab ich eine Wahl?“
„Nein. Aber Sie haben Chancen. Und ich verspreche, wir werden sie nutzen!“
Nein, die Welt brach nicht auseinander. Sie hörte nicht mal für den Bruchteil einer Sekunde auf sich zu drehen. Und doch war sie für Volker auf einmal nicht mehr so wie noch vor wenigen Augenblicken.
Seine Augen brannten, als er seinen Vater ansah. Keiner von beiden war in der Lage, etwas zu sagen. Aber als sein Vater ihn in den Arm nahm, als er ihn hielt wie damals, als kleinen Jungen, begann zu Volker zu weinen.
+ + +
Das Klingeln des Telefons riss Tim aus tiefstem Schlaf. „Das ist ja ätzend“, murmelte er und tastete mit geschlossenen Augen nach dem Hörer. Die letzte Nacht war lang geworden, und Tim war froh, einen arbeitsfreien Tag vor sich zu haben. Bis weit nach Mitternacht hatten sie Außenaufnahmen gemacht. Alles hatte ganz easy begonnen – bis ein heftiger Frühjahrsregen alle Drehpläne über den Haufen geworfen hatte.
Bis fast vier Uhr hatten sie geschuftet, und jetzt wollte er nur eins: ausschlafen!
Das Telefon klingelte penetrant weiter, und endlich hatte er den Hörer ertastet. „Ich bin nicht zuhause“, nuschelte er.
„Tim. Ich bin’s – Volker.“
„Ach Alter, das ist jetzt ganz schlecht. Ich bin noch so groggy.“
Sekundenlang blieb es still. Dann sagte Volker nur drei Worte: „Ich habe Krebs.“
Mit einem Ruck saß Tim aufrecht im Bett. Keine Spur mehr von Müdigkeit. „Was?“
„Kannst du herkommen?“
„Bin gleich da.“
Eine Blitzdusche, während die Kaffeemaschine einen doppelten Espresso ausspuckte. Anziehen, ohne drauf zu achten, was er aus dem Schrank nahm. Dann die kurze Überlegung, dass er einfach nicht fahrtüchtig war. Zu müde. Zu durcheinander. Also rief er sich ein Taxi und ließ sich zur Klinik fahren.
Volker lag im Bett und sah ihm schweigend entgegen. Schatten lagen unter den Augen, nicht mal die Bräune, die vom letzten Skiurlaub herrührte, konnte sie verbergen.
„Alter, was machst du denn?“ Kurz umarmten sich die Freunde.
„Sie sagen, es wäre Krebs. Hier in meinem Knie.“ Volker wies auf das rechte Bein. „Morgen werd ich schon operiert. Der Professor sagt, dass jeder Tag zählt.“
„Was machen sie denn?“ Tim ließ sich auf der Bettkante nieder. Tausend Gedanken schwirrten durch seinen Kopf, ließen sich aber nicht wirklich greifen und zu Sätzen formulieren.
„Erst mal versuchen sie ihn rauszuschneiden. Dann kommt die Bestrahlung. Chemo eventuell.“ Volker biss sich auf die Lippen. Das, was kommen konnte, wenn all diese Behandlungen nichts fruchteten, konnte er nicht sagen. Nicht mal seinem besten Freund.
„Ich... ich weiß gar nicht...“ Tim biss sich auf die Lippen.
„Musst nichts sagen. Es genügt, dass du gekommen bist.“ Volker schloss kurz die Augen. „Meine Eltern sind total von der Rolle. Mutter weint nur noch, und mein Vater... der hat auch im Betrieb den größten Ärger.“
„Ist der Brandstifter gefunden worden?“
„Nein, das nicht. Leider. Aber es gibt auch noch andere Schwierigkeiten.“ Er atmete tief durch. „Na ja, vielleicht klappt’s ja doch. Es kann doch nicht sein, dass ich endlich die Prüfung im Sack hab – und dann nie mal wirklich arbeiten kann.“
„Du packst das. Ganz bestimmt. Daran glaub ich fest – und das musst du auch.“
Eine Schwester kam und holte den Kranken zu weiteren Untersuchungen ab. „Wir sehen
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