Schloss meiner Sehnsucht
optimistischen Grinsen, aber als Schauspieler taugte er wohl nicht viel, denn es misslang kläglich. Erst zwei Tage später, als feststand, dass der Tumor noch keine Metastasen gestreut hatte, konnte Volker wirklich aufatmen.
„Dennoch werden wir eine leichte Chemotherapie durchführen“, erklärte der behandelnde Arzt. „Es wäre falsch, diese Vorsichtsmaßnahme nicht zu ergreifen.“
„Und wie lange muss ich dann hier bleiben?“
Professor Scholl zuckte mit den Schultern. „Vier, fünf Wochen vielleicht. Genau kann das zum jetzigen Zeitpunkt niemand sagen.“
Fünf Wochen... da flogen einige seiner Freunde zum Golfen an die Algarve. Er hatte schon überlegt, ob er mitfliegen sollte. Eventuell sogar mit Melanie. Sicher würde ihr die Landschaft gefallen. Ein paar andere aus der Clique hatten einen Trip nach Kanada geplant. Wäre auch reizvoll gewesen, so ein Abenteuerurlaub, bevor er sich einen Job innerhalb des Konzerns suchte.
Aber jetzt konnte von alledem keine Rede mehr sein. Nicht einmal die Freunde kamen zu Besuch. Einige hatten angerufen, sich nach seinem Befinden erkundigt und ein paar Genesungswünsche in Form von Alkohol geschickt. Geschmacklos war so was. Aber er gestand sich ein, dass er selbst vor kurzem auch noch nicht darüber nachgedacht hatte, was man einem jungen Menschen zur Genesung mitbrachte.
Sein Blick fiel auf einen kleinen Plüschigel, auf dessen Bauch ein Pflaster klebte. „Igel haben ja keine allzu große Kniescheibe, deshalb musste ich das Pflaster auf seinen Bauch kleben. Aber er hat so ein süßes Gesichtchen. Es sieht so optimistisch aus, deshalb hab ich ihn genommen.“ Gestern war Melanie da gewesen und hatte ihm das Stofftier auf die Decke gelegt.
„Danke, der ist wirklich süß. Fast so wie du.“
„Ich hab aber keine Stacheln.“
„Zum Glück nicht.“ Er hatte es nicht gewagt, sie zu sich aufs Bett zu ziehen und zu küssen. Wer war er denn? Vielleicht ein Mann, dessen Tage gezählt waren...
Aber da hatte sie sich schon vorgebeugt. Ihre Lippen waren weich, sie roch leicht nach Jasmin. Komisch, dass ihm in diesem Moment der große Jasminbusch vor seinem Fenster einfiel. Als Kind hatte er die Blüten alle abgepflückt und es „schneien“ lassen, wenn Oliver unten über den Hof ging.
Wo mochte sein Bruder stecken? Warum war er nicht mal hergekommen?
„Ich bin froh, dass es dir schon wieder so gut geht.“ Melanie streichelte sein Haar. „Darfst du schon aufstehen?“
„Kurz nur. Und das Bein soll nicht belastet werden.“ Er biss sich auf die Lippen. „Ich soll... die wollen...“ Er brach ab.
Melanie nickte nur. „Wahrscheinlich bekommst du noch eine Chemo. Das ist gut.“
„Was redest du da für einen gequirlten Müll? Was ist gut dran, wenn die mich mit irgendeinem Gift voll stopfen, von dem mir speiübel wird?“ In der nächsten Sekunde biss er sich auf die Lippen. „Tut mir leid.“
„Schon gut.“ Sie lächelte verständnisvoll. Aber auch das ärgerte ihn.
„Tu um Himmels willen nicht so, als stünde ich schon mit einem Fuß im Grab. Noch geht es mir gut!“
„Das freut mich für dich. Und jetzt lass ich dich besser allein.“ Sie stand auf, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und war fort.
„Verdammt! Verdammt! Verdammt!“ Wütend haute Volker auf das Kissen. Als er dabei sein frisch operiertes Bein traf und ihn ein rasender Schmerz durchzuckte, kam es ihm wie eine ganz logische Strafe vor. Wieso hatte er sich so blöd benommen? Was hatte er sich dabei gedacht? Wollte er Melanie verscheuchen?
Abends kam Tim. Er lächelte ein wenig verkrampft. „Na, Alter, wie steht’s?“
„So wie gestern. Ich krieg noch Chemo, dann will der Professor weiter sehen. Aber er ist sich ziemlich sicher, dass dann alle Gefahr gebannt ist.“
„Na, das sind doch gute Aussichten!“ Tims Lächeln intensivierte sich. „Da kann ich es ja glatt wagen, dir was Tolles aus meinem Leben zu erzählen.“
„Hättest auch keine Hemmungen haben müssen, das zu tun, wenn ich sterben müsste“, presste Volker hervor. Es sollte witzig klingen, aber der Joke ging total daneben, das sah er an Tims Miene. „Sorry. Ich bin... Ach, vergiss es. Was wolltest du erzählen?“
Für einen Moment hatte Tim gleich wieder den Rückzug antreten wollen, aber dann sagte er sich, dass man Volker im Moment nicht mit normalen Maßstäben messen durfte. Was der Freund gerade durchmachte, war furchtbar.
„Nun red schon!“
„Gloria Ravenstein interessiert sich für mein
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