Schloss meiner Sehnsucht
schon wieder ganz gut!
„Wir müssen mit dir reden.“ Ohne eine Aufforderung abzuwarten trat Joachim ein.
„Klar doch. Was liegt an?“ Er versuchte sich lässig zu geben. „Wollt ihr einen Drink?“
„Danke, nichts“, lehnte Nora ab, während sie sich in einem der Sessel niederließ.
„Also, um gleich auf den Punkt zu kommen: Es fehlen Unterlagen in unserem französischen Werk. Forschungsunterlagen von immensem Wert.“
„Ach ja? Das ist ärgerlich.“
„Sehr ärgerlich sogar.“ Joachim von Sternburg hatte Mühe, die Ruhe zu bewahren. „Es ist erwiesen, dass jemand Forschungsergebnisse gestohlen und veräußert hat. Allerdings nicht in ihrem gesamten umfang. Ich vermute, der Dieb hat Skrupel gekriegt und den Käufern – es waren Vertreter eines indischen Konkurrenten – nur etwa ein Drittel der Dokumente überlassen. Das wird natürlich noch Konsequenzen für ihn haben. Die Inder werden inzwischen herausgefunden haben, dass sie nur einen Teil der benötigten Unterlagen besitzen.“
„Und warum erzählst du mir das? Ich bin schließlich nicht in der Geschäftsführung. Sieh zu, dass du das Problem mit deinen Prokuristen in den Griff kriegst.“ Es sollte gelassen klingen, doch wer Oliver von Sternburg kannte, hörte deutlich die Unsicherheit aus seinen Worten heraus.
„Keine Sorge, das Problem hab ich im Griff.“ Die Stimme des Konzernchefs klang eisig. „Und genau deshalb bin ich hier.“
Oliver zuckte mit den Schultern. „Ich hab’s doch schon gesagt – deine Firmenprobleme interessieren mich nicht. Ich krieg mein Geld als stiller Teilhaber, das reicht mir.“ Aus zusammengekniffenen Augen sah er den älteren Bruder an. „Wir waren uns doch von Anfang an einig: Du leitest den Betrieb, ich red dir nicht rein und kriege meine 40 Prozent vom Gewinn. Oder gilt das auf einmal nicht mehr?“
„Ganz offensichtlich nicht mehr. Denn sonst hättest du dich nicht so weit vergessen und dich in Marseille an den Unterlagen vergriffen.“ Graf Joachims Stimme klang eisig.
„Was unterstellst du mir da? Bist du verrückt geworden?“ Empört sprang Oliver auf. „Das ist eine infame Verleumdung. Eine bodenlose Unverschämtheit!“ Er ging auf den Älteren zu. „Wer hat dir das eingeredet? Von allein bist du doch nicht auf so ein Hirngespinst gekommen!“
Joachim von Sternburg winkte ab. „Erspar uns dieses Schmierentheater. Es steht definitiv fest, dass du die Unterlagen kopiert und verkauft hast. Der Detektiv, den ich beauftragt habe, kann es beweisen.“
„Was hast du getan? Mich bespitzeln lassen? Das ist ja wohl das Letzte!“ Ihm wurde siedend heiß. Ob sein Bruder wirklich was Konkretes wusste oder nur einen Verdacht hatte? Ob er bluffte? In Windeseile überlegte er. Wer konnte ihn und den Inder beobachtet haben? Niemand. Sie hatten sich in einem billigen Hotel am Hafen getroffen. Und er hatte ganz genau aufgepasst, dass ihm niemand gefolgt war. Nein, Joachim hatte nichts gegen ihn in der Hand. Der suchte nur einen Sündenbock. Aber nicht mit ihm! Das ließ er nicht mit sich machen!
„Das ist einfach ungeheuerlich. Und so was nennt sich mein Bruder. Sag mal, schämst du dich gar nicht, mir so was zuzutrauen?“
Zum ersten Mal warf Gräfin Nora etwas ein. „Wir wissen, dass du es warst, Oliver. Sei vernünftig, gib es zu. Vielleicht könnten wir noch Schadensbegrenzung machen.“ Sie zögerte, sah ihren Mann eindringlich an. „Joachim ist sicher der Letzte, der dir Böses will. Aber es ist nun mal bewiesen, dass du mit der Sache was zu tun hast.“
„Ach was! Gar nichts ist zu beweisen. Ich hab doch nur...“ Aufstöhnend brach er ab, griff sich an die Stirn und massierte sie.
„Hast du Kopfschmerzen?“, erkundigte sich Joachim.
„Ja. Häufiger in letzter Zeit.“
„Das ist das schlechte Gewissen“, meinte Joachim spontan. Er nahm Oliver bei den Schultern, schüttelte ihn leicht. „Sag mal, was hast du dir dabei gedacht? Warst du in Geldnot? Warum bist du dann nicht zu mir gekommen?“
„Geldnot... Quatsch.“
„Aber was war es dann?“ Eindringlich sah er den jüngeren Bruder an. „Oliver, ich kenne dich durch und durch. Du hast früher schon mal Mist gebaut. Aber du hast nie einem anderen geschadet. Und jetzt... jetzt hast du die Firma betrogen.“ Er machte eine kleine Pause. „Leugne es nicht, es stimmt. Ich weiß auch, dass du im letzten Moment wohl Skrupel bekommen hast. Schließlich sind nicht alle Daten weiter gegeben worden. Deine Abnehmer müssen vor Wut
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