Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Außenministeriums zu den
Fotos, die ich gemacht hatte. Die abgebildete Person, hieß es dort, könne nicht
zweifelsfrei identifiziert werden. Ob es sich bei ihr um den ehemaligen ägyptischen
Staatspräsidenten handle, lasse sich aufgrund der schlechten Bildqualität und vielfältiger
Fälschungsmöglichkeiten nicht beurteilen. Gleichwohl werde man alles daran setzen,
dem ägyptischen Volk in seiner jetzigen schwierigen Lage beizustehen und etwaiges
Fehlverhalten der gestürzten Präsidentenfamilie aufzudecken. Die Förderung demokratischer
Bewegungen, gerade im Nahen Osten, sei schon immer vordringlichstes Ziel des Ministeriums
gewesen.
»Damit kannst du es vergessen«, sagte Stefan. »Ich hatte so eine kleine
Hoffnung, dass dort einer über seinen Schatten springt und den Kerl identifiziert.«
»Alte Bündnistreue.« Ich zuckte die Achseln. »Seit an Seit mit Ghaddafi
und Konsorten; Hauptsache, es herrscht Ruhe dort unten.«
»Gut«, sagte Covet, immer noch heiser. »Versuche ich es eben auf eigene
Faust. Erst saufe ich eine Flasche Whisky auf ex, dann starte ich durch. Ich habe
noch ein paar Freunde beim Radio und beim Fernsehen. Echte Freunde!«
Er stürmte aus dem Raum und warf die Tür hinter sich zu, dass wir zusammenzuckten.
29
Whisky war das Stichwort. Marcs rauschender Abgang hatte mir Lust auf
einen Schluck gemacht. Dabei war noch nicht einmal Mittagessenszeit. Besondere Tage
erfordern eben besondere Maßnahmen, und das hier war ein besonderer Tag.
Mein Körper signalisierte es mir: durch trockenen Gaumen, Nackensteifheit, innere
Unruhe. Natürlich lag es auch an der kurzen Nacht, die ich unten im Büro, auf meinem
knarrenden, durchhängenden Feldbett zugebracht hatte, um Christine und ihrer schlechten
Laune aus dem Weg zu gehen. Mit schmerzendem Schädel war ich aufgewacht. Hatte doch
ganz ordentlich zugelangt, der Gorilla von der Privatstation.
Aber all das zusammengenommen ließ nicht erahnen, was an diesem Sonntag
noch alles auf mich warten sollte.
Als ich mir morgens einen schnellen Kaffee gemacht hatte, um auf Betriebstemperatur
zu kommen, hatte Christine noch geschlafen: eingehüllt in ihren Ärger über mich,
den Hochzeitstagsverächter. Dann das ernüchternde Gespräch in den Redaktionsräumen
der Neckar-Nachrichten. Wieder zu Hause, wirbelte mir der Kopf vor lauter Namen
und Gesichtern: Fikret, Gizem, ihre Mutter, Inez, Daniel. Was Marc wohl vorhatte?
Wie es Kurt heute ging? Mit Fatty den Fall durchsprechen, das wäre jetzt mehr als
angebracht. Aber mein dicker Freund kam erst abends von seiner Fortbildung zurück.
Also musste der Whisky ran. Ich öffnete den Küchenschrank, griff praktisch
ohne hinzuschauen an eine ganz bestimmte Stelle – und griff ins Leere. Himmel! Das
konnte nicht sein! Hier hatte noch vor ein paar Tagen eine randvolle Flasche Talisker
gestanden, einer meiner Lieblingswhiskys. Und jetzt? Gähnende Leere. Eine whiskyflaschenbreite
Lücke. Hinter der Lücke wurde ein Probierfläschchen Mac Allan sichtbar, das sie
mir bei einer Buchvorstellung im Odenwald in die Hand gedrückt hatten. Immerhin.
Aber wundern tat es mich doch, was aus dem Talisker geworden war.
Ich schraubte die putzige Flasche auf und schenkte mir ein Gläschen
ein. Dieser Schotte und ich, gemeinsam würden wir es mit der ganzen Welt aufnehmen,
zur Not sogar mit Papa Ak s ehir. Denn der würde mein
nächster Gesprächspartner sein, daran führte kein Weg vorbei. Egal, welche Nummer
ich anwählte, die von Gizems Handy oder den Festnetzanschluss der Familie, immer
würde der Alte den Türsteher spielen.
Und so war es denn auch. Der erste Schluck Mac
Allan war eben durch meine Kehle gerauscht, als sich die harsche Stimme von Herrn
Ak s ehir
meldete. In Sonntagslaune schien er nicht gerade zu sein, aber das musste er auch
nicht, er war ja Moslem.
»Fikret ist nicht da«, schnarrte er. »Rufen Sie
später an.«
»Ich will nicht mit Fikret sprechen«, konterte
ich, beflügelt vom Alkohol. »Sondern mit Ihrer Frau. Und wenn Sie jetzt behaupten,
die sei auch nicht da, steht in einer halben Stunde ein Streifenwagen mit Blaulicht
vor Ihrem Haus, um sie persönlich mit offenem Seitenfenster durch die Stadt zu eskortieren.
Kapieren Sie das?«
Pause im Äther. Irgendwann hörte ich ein verunsichertes »Polizei?«
»Ja, Polizei. Ich komme zusammen mit Kommissar Fischer, meinem Kollegen.
Und dann kriegt Ihre Frau eine polizeiliche Vorladung, mit allem Drum und Dran.«
»Aber sie ist wirklich nicht da.
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