Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Präsidenten.«
»Diktatoren lassen sich doch doubeln«, warf ich
ein. »Der von Nordkorea auf jeden Fall. Und Saddam Hussein soll es sogar mehrfach
gegeben haben.«
Mit einem Grunzen warf Marc das Foto auf den Tisch zurück. Fand meinen
Diskussionsbeitrag wohl nicht sonderlich konstruktiv.
»Wie auch immer«, meinte Stefan und setzte sich. »Ob es sich bei den
beiden Herren hier um ein und dieselbe Person handelt, darüber können wir uns noch
endlos streiten. Als Beweis für die Anwesenheit irgendeines Staatspräsidenten taugen
die Fotos jedenfalls nicht. Im Gegenteil, wir laufen Gefahr, uns lächerlich zu machen.«
»Wie bitte?«, rief Marc. »Und was ist mit den Bodyguards vor seiner
Tür und im Zimmer? Auf wen sollen die aufpassen wenn nicht auf ihn?«
»Welche Bodyguards? Die ihr mit Pfefferspray außer Gefecht gesetzt
habt?«
»Immerhin haben sie uns angegriffen. Außerdem muss man das ja nicht
an die große Glocke hängen, darüber waren wir uns doch einig, oder?«
»Du begreifst nicht, Marc. Als du mir deinen Bericht geschickt hast
…«
»Die Rohfassung meines Berichts«, unterbrach Covet, der sich ebenfalls
setzte.
»Ja, die Rohfassung. Ich habe daraufhin mit der Klinikleitung telefoniert
und sie zu einer Stellungnahme aufgefordert. Folgendes wurde mir mitgeteilt: In
besagtem Zimmer liege ein schwer krebskranker ägyptischer Staatsbürger namens Halef
Omar, der niemals ein politisches Amt in seinem Heimatland bekleidet habe. Eine
gewisse Ähnlichkeit mit dem ehemaligen Staatspräsidenten sei nicht auszuschließen.
Zweitens: Von Wachmännern oder Bodyguards, die Herrn Omar angeblich begleiteten,
könne keine Rede sein. Das widerspreche dem Geist des Heilens, dem sich die Klinik
verpflichtet sieht.«
»Keine Bodyguards?«, lachte Covet. »Dann frag mal das Personal auf
Station, was das für schwere Jungs waren, die vor Zimmer 015 herumlungerten!«
»Angeblich Verwandte von Herrn Omar, die sich um seine Gesundheit sorgten.
Wenn ihr jetzt die Station besucht, werdet ihr dort niemanden finden.«
»Nein? Umso besser! Dann gehen wir hin, und zwar sofort, Stefan. Bin
gespannt, ob mir Herr Omar immer noch ein Interview verweigert.«
»Wir sind zu einem Ortstermin um 17 Uhr geladen. Vorausgesetzt, der
Patient ist dazu in der Verfassung.«
»Mach dir keine Illusionen, Marc«, sagte ich. »Entweder erleidet er
um 16.55 Uhr einen Herzstillstand und kann den Termin nicht einhalten, oder sie
präsentieren einen Klempner vom Nil, der dir erzählt, dass er seine gesamte Klempnerrente
aufgebraucht hat, um sich in Heidelberg operieren zu lassen.«
»Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können«,
nickte Stefan.
Covets Blicke wechselten geradezu panisch zwischen
uns hin und her. »Moment, Moment … So einfach dürfen die nicht davonkommen! Zur
Not erzählen wir eben, was gestern Nacht passiert ist. Inklusive Pfefferspray und
Feueralarm, das ist es mir wert.«
»Dir vielleicht«, sagte ich.
»Marc, schalte bitte wieder deinen Verstand ein.«
Stefan erhob sich, um durch das Büro zu wandern. »Ich will es mal auf den Punkt
bringen. Wir drei wissen, dass drüben in der Chirurgie ein krummes Ding gelaufen
ist. Vielleicht nichts Illegales, aber irgendeine Mauschelei unter Ausschluss der
Öffentlichkeit. Nehmen wir an, es war tatsächlich ein übel beleumundeter Politiker,
der sich dort behandeln ließ. Wenn du darüber einen Artikel bringen willst, brauchen
wir Beweise. Die Fotos kannst du vergessen, leider. Inzwischen wird sich kein Haar
dieses Mannes mehr in Zimmer 015 finden, den haben sie längst ausgeflogen. Seine
Bodyguards: dito. Außerdem waren es keine Bodyguards, sondern bloß Mitglieder der
ägyptischen Großfamilie, mit denen es letzte Nacht ein paar bedauerliche Kommunikationsschwierigkeiten
gab.«
»Von wegen, das waren Deutsche«, rief Marc. »Verstehst
du, Stefan, Wachmänner von hier!«
»Hast du ihren Pass gesehen? Und eine Kopie davon
gemacht? Na, also. Dass die Eintragungen im Intranet der Klinik nichts taugen, erklärt
sich von selbst. Jemand von der Klinikleitung müsste plaudern, aber das ist völlig
illusorisch. Für die steht viel zu viel auf dem Spiel.«
»Und die Stationsärzte? Pfleger und Schwestern? Was ist mit denen?«
»Du sagtest doch selbst, dass nur eine ausgewählte Gruppe von Leuten
vorgelassen wurde. An die kommst du nicht ran. Und dass die anderen etwas Konkretes
wissen, halte ich für unwahrscheinlich.«
Covet saß wie erschlagen auf seinem Stuhl. Da war er zum
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