Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Bei ihrer Freundin, Bruchsal.«
»Und wann kommt sie zurück?«
»Heute Abend. Spät.«
»Glaube ich nicht. Wer macht Ihnen denn das Abendessen?«
»Macht Gizem.«
»Dann geben Sie mir die.«
Schau an, nach kurzem Zögern hörte ich seine Stimme durch die Wohnung
gellen. Gizem kam und versprach, in einer halben Stunde am Schlossblick zu sein.
Der Frisörladen hatte ja geschlossen, und zu Hause, wo sämtliche Männer der Familie
die Ohren spitzten, wollte ich nicht mit ihr sprechen.
Es war kurz vor zwölf, als ich am Imbiss eintraf. Fred brutzelte seine
Würstchen, Jung und Alt gönnte sich ein Mittagessen im Stehen.
»Du solltest ein paar Stühle aufstellen«, sagte ich. »Oder Bistrotische.
Dann haben es die Leute bequemer.«
»Außenbewirtschaftung?«, gab er zurück. »Bis die Stadt das genehmigt,
bin ich in Rente.«
Gizem kam allein. Nichts anderes hatten wir vereinbart, trotzdem war
ich erleichtert, sie ohne Begleitung durch ein Familienmitglied oder Freundinnen
zu sehen. Ich lud sie zu Feuerwürstchen und einem Getränk ein.
»Oder isst du kein Schweinefleisch?«
»Doch, doch, Freds Würstchen sind klasse.«
»Sehr gut.« Diesen Fettnapf hatte ich also vermieden. Ich überlegte
kurz, ob ich mir einen zweiten Whisky gönnen sollte, aber im Schlossblick gab es
garantiert nur drittklassigen Fusel. »Ein Wasser für mich, Fred.«
Die Türkin bestellte einen Orangensaft. Ausgerechnet! Ich grinste Fred
an, der das allerdings gar nicht lustig fand. Gizem bekam die Flasche eines anderen
Herstellers als diejenige, die Tischfußball-Kurt zum Verhängnis geworden war. Fred
hatte schnell reagiert. Fragte sich nur, warum dann schon wieder drei der verdorbenen
Sorte in seinem Regal standen. Hatte er nicht von einer Rückrufaktion gesprochen?
Na, solange er sie nicht an seine Kunden vertickte, konnte mir das egal sein.
»Deine Mutter ist in Bruchsal?«, eröffnete ich das Gespräch.
»Ja, sie besucht eine Freundin. Erst wollte sie nicht, weil sie so
müde war, aber dann ist sie doch gefahren.«
»Müde?«
»Sie hatte gestern Spätschicht.«
Ich nickte. Spätschicht. Die hatte ich gestern auch gehabt. Bremste
oder beschleunigte der Whisky meine Gedanken? Lieber einen Schluck Wasser nehmen.
Und die entscheidenden Fragen für später aufsparen.
»Hast du noch einmal nachgedacht, Gizem? Ist dir etwas eingefallen,
was mit Thorsten Schallmos Tod zu tun haben könnte?«
Sie schüttelte den Kopf. Ich wartete, doch es kam nichts.
»Und wie geht es dir jetzt?«
Sie sah erst mich an, dann zur Seite. »Schlecht. Wie sonst?«
»Hast du wenigstens jemanden, mit dem du reden kannst? Zu Hause wird
das ja kaum möglich sein.«
»Doch, schon. Meine Mutter, meine Schwester. Dann meine Freundinnen,
und Frau Kaiser ist auch noch da. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Thorsten
tot ist und mein Bruder sich darüber freut.«
»Dein Verhältnis zu Fikret ist nicht besonders gut?«
»Bis vor Kurzem war es gut. Aber seitdem er glaubt, uns den Vater ersetzen
zu müssen, liegen wir uns ständig in den Haaren.«
»In den Haaren«, grinste ich. »Kein Wunder bei einer angehenden Frisörin.«
»Zweimal Feuer!«, rief Fred und reichte uns die Pappteller mit seiner
Spezialität.
»Lass uns ein wenig zur Seite gehen«, schlug ich vor. Direkt beim Schlossblick
gab es mir zu viele Neugierige. Wir suchten uns einen Verteilerkasten, der an der
Straße stand und auf den man die Würstchenteller legen konnte. Kein optimaler Platz
zum Essen, aber Fred Bremer schaffte es ja nicht, Stühle aufzustellen.
»Meine Chefin kommt auch jeden Sonntag hierher«, sagte Gizem kauend.
»Frau Kaiser? Hierher, zum Schlossblick?«
»Ja. Ihr Verhältnis ist immer noch ganz gut.« Und als ich verständnislos
schaute, fügte sie an: »Die beiden waren mal verheiratet, sie und Fred. Wusstest
du das nicht?«
»Hör auf! Deine Chefin und Fred Bremer? Das glaube ich nicht.«
»Wieso nicht?«
»Hast du seine Haare gesehen? Diese Steppenlandschaft? Welche Frisörin
könnte das auf sich sitzen lassen?«
Sie lachte. »Ist ja auch eine Ewigkeit her, dass die zwei ein Paar
waren. Damals sah er bestimmt ganz anders aus.«
Kopfschüttelnd blickte ich zum Imbiss hinüber. Die gepflegte Frisörin
und der gammlige Würstchenbräter – ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Widerspruch in
sich selbst. Und dann waren die beiden auch noch verheiratet gewesen! Na, das hätte
ich ihnen gleich sagen können, dass das mit ihnen nichts würde. War ja
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