Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
kurz hintereinander
drei Heidelberger Anschlüsse, die mit 58 begannen: das Kennzeichen der Stadtverwaltung.
Da könnte es sich um eine schulische Angelegenheit gehandelt haben. Er hatte Christian
zurückgerufen und gestern Mittag mit Bibi telefoniert. Die übrigen Nummern sagten
mir nichts.
Zwei Personen hatten sich mehr als einmal bei
Schallmo gemeldet. Zu der einen, deren Anrufe gestern und vorgestern über Tag eingegangen
waren, gehörte eine lokale Festnetznummer. Hinter der anderen aber verbarg sich
niemand anderes als die Senderin der geheimnisvollen SMS; sie hatte es gleich dreimal
in den letzten beiden Tagen versucht.
Ich lehnte mich zurück. Erst mal ausgiebig strecken. Knack, knack,
machte mein Kreuz. Solange es noch knackte, schien mir alles in Ordnung. Der Kratzer
an meiner Hand brannte, und ich hatte zu wenig geschlafen. Vor allem aber tat es
meinem Kreislauf nicht gut, länger als eine halbe Stunde vorm PC rumzuhängen. Der
Bildschirm und ich, wir zwei würden in diesem Leben keine Freunde mehr. Ich gähnte
und rieb mir die Augen. Bei wem sollte ich es als Erstes versuchen? Nadja?
Okay, nehmen wir sie. Hallo, Nadja, der Termin am Donnerstag ist abgesagt;
willst du dich stattdessen mit mir treffen? Mal sehen … Aber Nadja war nicht da,
und die automatische Mailboxansage verschwieg ihren Nachnamen. Ich setzte ein kleines
Minuszeichen hinter ihre Nummer.
Nächster Versuch. Das Geheimnis. Jetzt wurde es spannend, schließlich
kannte ich vom Urheber der SMS weder Namen noch Geschlecht, von Alter und Beruf
ganz zu schweigen. Andererseits war die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine
junge Frau handelte, mehr als groß. Ein Mädchen vielleicht, so verliebt wie verzweifelt.
Drei Anrufe und eine Botschaft: So kannst du mich nicht hängen lassen, Thorsten!
Konnte er also nicht. Und was, wenn doch?
Das interessierte mich. Ich griff nach meinem Handy und tippte die
Nummer ein.
Es läutete nur zweimal. Dann hörte ich eine kratzige Stimme in den
Hörer bellen: »Ja?«
»Hallo?«, sagte ich.
Pause. Ja – hallo. Zum Dialog des Jahres taugte das nicht. Ich hörte
meinen Gesprächspartner am anderen Ende schnaufen. Ihn – denn es war ein Mann. Schon
etwas älter vermutlich. Und er redete gern laut. Für alle weiteren Erkenntnisse
war die eine Silbe zu kurz gewesen.
Er holte Luft. Achtung, da kam was!
»Ja?«
Was für eine Quasselstrippe!
Es half nichts, jetzt war ich wieder dran. Wie beim Tennis: Augen links,
Augen rechts. Grundlinienduell. »Entschuldigung, mit wem spreche ich?«
Damit hatte er nicht gerechnet. Max Koller vorn am Netz! Ich wollte
die Entscheidung – Hosen runter!
»Und Sie?«, kam der Gegenschlag. »Wer sind Sie?« Dann wieder Schnaufen.
Okay, es war noch kein Satzgewinn, aber der Vorteil lag auf meiner
Seite. Advantage Koller! Ich wusste jetzt, dass mein Tennispartner definitiv außerhalb
des deutschen Sprachraums aufgewachsen war. Rollendes r, kehlige Vokale, so was
in der Art. Ein Turnier mit internationaler Beteiligung! Da konnte es schon mal
vorkommen, dass man ›hängen‹ mit dem falschen Vokal schrieb. Es sollte auch untreue
Gattinnen geben, denen so etwas passierte.
»Ja«, sagte ich, während mir all diese Gedanken blitzartig durchs Hirn
fuhren. »Ja, das verrate ich Ihnen gern. Aber eigentlich habe ich Sie angerufen,
also sind zunächst Sie am Zug.«
Wieder eine Pause. Offenbar hielt der Mann den Hörer zu, um sich mit
irgendjemandem zu besprechen, denn außer Rauschen und Schaben vernahm ich nichts.
Sein Trainer? Der Familienrat? Die erwähnte Gattin?
»Hallo?«, rief ich. Dann verstummten alle Geräusche. Komplett und für
immer. Der Typ hatte das Gespräch beendet, einfach so.
»Aufgabe!«, knirschte ich. Rückzug am grünen Tisch! Sportlich fair
sah anders aus.
Ich probierte es gleich noch einmal. Aber da tat sich nichts mehr.
Kein Ausländer, keine Mobilbox, einfach niemand, der mit mir in den Tiebreak wollte.
Endlich gab ich es auf, legte mein Handy zur Seite und tigerte eine Weile durch
den Raum. Was bei acht Quadratmetern, auf denen sich ein Feldbett und ein Schreibtisch
breitmachten, kein Vergnügen ist. Nachdem ich mir das Knie zum dritten Mal angestoßen
hatte, setzte ich meine Runden draußen im Hof fort. Die Sonne schien. Oben im ersten
Stock öffnete sich ein Fenster. Es war die Oma mit den Apfelbäckchen. Eine blöde
Formulierung, ich weiß, aber nur so konnte ich mir ihren Namen merken.
»Der Herr Koller! Schönes Wetter heute, nicht?«
»Tag,
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