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Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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floss, fraß ich einen
Besen! Einen dicken Besen.
    »Sie wissen doch, Herr Jauch«, seufzte ich weltschwer, »was wären wir
einfachen Leute ohne unsere Vorurteile?«
    Ich weiß nicht, ob der Blonde mich gehört hatte, jedenfalls sah er
in diesem Moment zu mir herüber. Und ich bin sicher, dass er mich im Bruchteil einer
Sekunde und völlig unbewusst ebenso vulgärsoziologisch einordnete wie ich ihn: Hartz
IV-Empfänger. Sportplatzrumlungerer. Könnte sich mal gescheite Schuhe kaufen. Zerrüttete
Ehe, garantiert. – So dachte er, garantiert! Dieser blasierte Adelsspross! Brr …
Besser nicht hinschauen.
    Nein, besser zum anderen Feld hinüberlinsen. Dort, wo es heiß über
die Asche fegte, meiner Unbekannten sei Dank. Die hatte aber auch einen Ton drauf
gegenüber ihren Mitspielerinnen! Bewegte sich wie ein Mann, setzte ihre Ellbogen
ein, die Schulter, das Mundwerk. Welche Körperteile sie wohl bei ihren Klassenkameraden
einsetzte? Interessante Frage. Oder bei älteren Herrschaften? Noch interessanter.
Dass es da etwas einzusetzen gab, dafür hatte Mutter Natur gesorgt. Geradezu im
Übermaß gesorgt, wobei die Schwarzhaarige gertenschlank war. Dort, wo man schlank
zu sein hatte. Elite halt, auch in körperlicher Hinsicht.
    Ich war gerade bei der existenziellen Überlegung angelangt, wie man
die Attraktivität junger Mädchen angemessen beschrieb, ohne dass man sich lächerlich
machte, als mir ein brauner Felsbrocken aus dem All vor die Füße fiel. Bevor ich
reagieren konnte, spritzte das Ding an mir vorbei, und ich bekam eine Ladung Steinchen
in die Fresse. Hinter mir raschelte es. Der Basketball war im Gebüsch gelandet.
Aus der feixenden Knabentruppe löste sich einer – mittelgroß, kräftig, mehr Schlauheit
im Gesicht als Pickel, ein rundum netter Bursche – und kam händefuchtelnd auf mich
zugeeilt.
    »Sorry, Mister«, rief er, ohne sich das Lachen verkneifen zu können.
»War nicht persönlich gemeint. Offensive Verteidigung, da geht schon mal was daneben.«
In seinem Rücken klatschten sie sich vergnügt ab.
    Ich wischte mir die Krümel von der Backe. »Schon klar. Ich hätte mir
euer Spiel ja auch aus der VIP-Lounge anschauen können. Oder live im Fernsehen.«
    Mit langem Arm fingerte der Kräftige den Ball aus dem Grünzeug. In
seinem ausrasierten Nacken glänzte der Schweiß. Er trug ein weinrotes Poloshirt
und karierte Shorts mit überlangem Bändel. Nicht unbedingt das, was ich als Sportlerkleidung
bezeichnen würde.
    »Die anderen wollen uns noch abfangen«, grinste er und lief zum Spielfeld
zurück. »Drei Punkte, aber da haben sie sich geschnitten, Sie werden’s sehen.«
    »Werde ich«, murmelte ich. »Allerdings nur mit Schutzbrille.«
    Na, dann hatten die Jungs wenigstens noch ein heiteres Intermezzo vor
ihrem finalen, blutigen Kampf um die entscheidenden drei Punkte. Gut gelaunt ging
es weiter. Und ihr Lehrer, der Feigling? Anstatt sich wortreich bei mir zu entschuldigen,
tat er die ganze Zeit so, als sei er mit den Mädchen beschäftigt. Wo blieb dein
pädagogischer Auftrag, Sportskanone? Deine Schutzbefohlenen wollten erzogen werden,
die wussten gar nicht, wohin mit ihrer Kraft! Wahrscheinlich hatte der Typ einfach
Schiss, seit einer seiner Fachkollegen nur wenige Meter von hier seine Laufbahn
beendet hatte. Mit Recht!
    Die restlichen Minuten der Sportstunde – viele waren es nicht – verbrachte
ich in totaler Bewegungslosigkeit auf meinem Betonblock und bemühte mich um ein
professionelles Pokerface. Neben mir hätte ein Meteorit einschlagen können, und
ich hätte nicht mit der Wimper gezuckt. Einmal sah die Schwarzhaarige zu mir herüber;
ob meine Coolness sie auch nur im Geringsten beeindruckte, war jedoch nicht zu entscheiden.
    Schlusspfiff. Der mit den karierten Shorts ballte die Fäuste und klatschte
seine Jungs ab. Na und? Zu den Mavericks kommst du doch nicht. Obwohl – vielleicht
hielt sein Daddy ja Anteile an dem Club. Egal, die Jungs frotzelten und neckten
einander, was die Stimmbänder hergaben, nuckelten wie Säuglinge an ihren Flaschen,
kratzten sich bedächtig unter den Achseln. Bei den Mädchen gab es derweil einen
heftigen Disput zwischen meiner Unbekannten und einer Klassenkameradin. Die, hochgeschossen
und knochig, hielt der Schwarzhaarigen offenbar vor, überhart eingestiegen zu sein,
und lüftete zum Beweis ihr T-Shirt. Was kein echter Beweis war, denn wer gegen diese
Beckenkochen stieß, gefährdete sich nur selbst. Trotzdem flogen die Vorwürfe hin
und her wie zuvor

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