Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
der Basketball, und Schallmos Schöne ließ es auch in dieser Disziplin
nicht an Einsatz mangeln. Es ging schließlich um die entscheidenden drei Punkte!
Offensivverteidigung! Gleich würde sie ihrer Kontrahentin eine Ohrfeige verpassen.
Der Langen eine langen!
»Wenn du ein Problem mit mir hast, gib’s doch zu!«, giftete sie von
unten.
»Bring du lieber deinen Hormonhaushalt in Ordnung!«, plärrte die andere
zurück.
Und genau hier, im spannendsten Moment der gesamten Sportstunde, entschloss
sich Lehrer Unsichtbar zur Rematerialisierung. Eilte herbei, die Trillerpfeife noch
im Mundwinkel, hob beschwichtigend beide Hände, predigte Frieden, Versöhnung, Liebe.
War das jetzt korrekt, du Halbtagspädagoge? Schwelende Konflikte unter den Teppich
kehren, wo sie weiter schwelten und am Ende das ganze Haus, dein sauberes Kurpfalz
College, in Brand setzten? Die Knochige drehte denn auch schmollend ab, sofern man
derart schmallippig überhaupt schmollen kann, verfolgt von den Wutblitzen der Spanierin.
Der Sportlehrer zuckte die Achseln und trollte sich.
Schade. Gegen so ein bisschen Staubcatchen zweier durchtrainierter
junger Damen hätte ich ausnahmsweise nichts einzuwenden gehabt.
Und nun? Das Sportgelände leerte sich rasch. Taschen und Getränke wurden
eingesammelt, dann ging es in Richtung Halle, zum Umkleiden. Ich war gedanklich
schon auf dem Heimweg, als ich, mit den Augen immer nah an der Unbekannten, ein
Wort aufschnappte: Schlossblick. Sie sagte es zu dem Blonden mit der Föhnwelle und
zeigte dabei über die Schulter, zum Parkplatz. Der Blonde schaute kurz auf die Uhr,
bevor er nickte.
Zum Imbiss wollten sie? Zwischen Sport und der Theater-AG noch rasch
eines von Freds Würstchen futtern? Wenn das mal keine Gelegenheit war! Ich stand
auf, entfernte das letzte Steinchen von meiner Backe und verließ das Sportgelände.
Fred wunderte sich ein bisschen, mich schon wieder zu sehen, doch er
schwieg. Qualität setzt sich eben durch, dachte er wahrscheinlich. Aus seiner Kaffeeecke
kamen heftige Koch- und Spuckgeräusche.
»Fünfte Kanne?«, fragte ich, auf die Kaffeemaschine zeigend.
»Fünfte Kanne«, nickte er. »Willst du auch einen?«
»Ja, schieb mal rüber.«
Er nahm die Kanne aus der Halterung, um mir einzuschenken. Ein Tropfen
Kaffee fiel auf die Wärmeplatte und verdampfte zischend. »Und du? Hast du mit dem
Spaniermädel gequatscht?«
»Woher weißt du eigentlich, dass sie Spanierin ist?«
Stirnrunzelnd stellte Fred die Kanne zurück. Wenn er nicht dieses Hundegesicht
gehabt hätte, hätte man seinen Blick glatt mit ›blöde Frage‹ übersetzen können.
So war es nur der Ausdruck purer Selbstverständlichkeit, mit dem er ein imaginäres
Handy gegen sein Ohr hielt und zu brabbeln anfing: »Hasta la vista, Barcelona olé,
muchacha amor.« Er legte wieder auf. »Wenn eine so daherquasselt, wird sie doch
wohl Spanierin sein.«
»Oder Mexikanerin. Hat sie wirklich muchacha amor gesagt?«
»Mann«, stöhnte er. »Das war’n Beispiel!«
»Schon gut. Sie kommt übrigens gleich hierher. Dass du mir nichts von
mir und meinem Beruf ausplauderst! Ich bin nur ein Kunde, verstanden? Komplett pH-neutral.«
Fred verdrehte die Augen. Jetzt hielt er mich wohl endgültig für minderbemittelt.
Kurz danach standen sie neben mir an der Durchreiche. Die Unbekannte
trug eine Sonnenbrille, die etwa die Hälfte ihres Gesichts bedeckte, der Blondgelockte
hatte seine in den Ausschnitt seines Hemds gehängt. Beide hatten sich umgezogen
und rochen intensiv nach Deo.
»Morgen«, sagte der Junge mit überraschend tiefer Stimme. »Machst du
mir ein Schinkensandwich, Fred? Und ’ne Cola.«
»Für mich auch eine Cola«, ergänzte das Mädchen.
Danach herrschte Schweigen. Ich nippte an meinem
Kaffee, die beiden bekamen ihre Coladosen, Fred schmierte das Sandwich. Während
ich noch überlegte, mit welcher Frage ich die Stille durchbrechen könnte, meldete
sich der Junge zu Wort.
»Blöde Geschichte, das mit dem Schallmo.« Dabei
drehte er sich um, so dass er in Richtung Sportgelände blicken konnte. Die rot-weißen
Absperrbänder flatterten im Wind.
Seine Bemerkung war an niemand Bestimmten gerichtet,
und so ließ Fred, mit dem Sandwich beschäftigt, auch nur ein vages Brummen hören.
»Du warst hier, als es geschah«, fuhr der Blonde
fort.
Fred hielt inne und zeigte mit dem Messer nach oben. »Dort ist der
erste Schuss rein. Es hätte mich genauso treffen können wie den Schallmo.«
Wieder eine Pause. Die schöne
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