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Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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nächsten Moment stand Daniel neben ihr
und glotzte ebenfalls auf die Filzschreiberbotschaft.
    »Was ist das?«, stieß er heiser hervor. »Woher haben Sie das?« Inez
presste die Lippen aufeinander.
    »Hat man mir unter den Gepäckträger geklemmt.«
    »Und auf so etwas fußen Ihre Ermittlungen?« Herrje, der Junge schäumte
regelrecht! »Mit diesem Dreck gehen Sie hausieren? Wirklich, Sie sind das Letzte,
was mir in meinem Leben …«
    »Der Überbringer der Botschaft wird geköpft, ich weiß schon«, winkte
ich ab.
    »Reden Sie sich nicht raus!«, schrie er. »Wahrscheinlich haben Sie
diesen Müll schon in der halben Stadt herumgezeigt! Von wegen Überbringer! Ein Schmarotzer
sind Sie, ein Parasit, der von den Problemen anderer Leute lebt.«
    »Wer tut das nicht?«, sagte ich und stand auf.
    »Hauen Sie ab. Hauen Sie endlich ab!«
    »Entspann dich. Bin doch schon am Gehen. Darf ich den Zettel wieder
haben?«
    Als Antwort knüllte er ihn zusammen.
    »Auch gut.« Zu Hause lagen drei Kopien des Wischs. »Dann mache ich
mich jetzt vom Acker. Danke für die Auskünfte. Und noch einmal Entschuldigung, dass
ich so unpassend vorbeigeschaut habe.« Ich wollte gehen, als mir einfiel, dass ich
den Weg zur Haustür gar nicht kannte. Nicht den üblichen jedenfalls.
    Inez erhob sich. »Ich bringe Sie raus«, sagte sie mit fester Stimme.
    Es wurde ein kühler Abschied. Wir mussten ein Stockwerk tiefer; der
Raum, der zum Hang hin auf Gartenhöhe lag, befand sich von der Straße aus gesehen
im ersten Stock. Im Flur fiel mein Blick auf ein Familienfoto: Inez und ihre Eltern
an der See. Der Vater lachend, etwas grobschlächtig, die Mutter schlank und mit
denselben dunklen Augen wie ihre Tochter.
    »Was arbeiten deine Eltern eigentlich?«, fragte ich, die Türklinke
schon in der Hand.
    »Mein Vater leitet eine Baufirma, meine Mutter ist Ärztin.«
    »In der Chirurgie?«
    »Nein, Onkologie. Jetzt fragen Sie genau wie Thorsten.«
    Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was sie meinte. »Schallmo
wollte deine Mutter sprechen, weil er dachte, sie sei Chirurgin?«
    »Ja. Ist doch ein bescheuerter Anfang für das erste Gespräch drei Wochen
nach Ende einer Beziehung, oder?«
    »Total bescheuert«, murmelte ich.
    »Sie wollten gehen!«, kam es vom anderen Ende des Flurs. Dort stand
Daniel, dicklippiger denn je. Der blonde Sohn eines Papas mit Anwalt.
    Zum Abschied winkte ich ihm zu. Mein Gott, wie er mich verachtete!
    Dafür hatte ich ihn in Unterhose gesehen.
     

17
     
    Universitätsklinikum Heidelberg, Chirurgische Klinik – solche Wortungetüme
lösen in Leuten wie mir automatisch Fluchtreflexe aus. Hilfe, da will ich nicht
hin. Niemals! Auch bei dem Gebäude handelte es sich um ein Monstrum: Riese unter
den Krankenhäusern, Anlaufstelle für die ganz großen, ganz schweren Leiden. Ich
dagegen war bloß ein superkleiner Privatermittler ohne akute Beschwerden. Und musste
trotzdem hin.
    Nur überstürzen brauchte man es ja nicht. Während ich gemächlich am
Neckar entlang radelte, brachte ich ein wenig Ordnung in die neuen Erkenntnisse.
Schallmo hatte – am Tag seines Todes – mit einer Chirurgin sprechen wollen. Und
zwar mit einer Bekannten oder wenigstens der Mutter einer Bekannten. Er war seinen
Freundeskreis durchgegangen und schließlich bei Inez und ihrer Familie gelandet.
Deren Mutter aber war erstens Onkologin und zweitens nicht zu Hause. Dass sich Schallmo
im selben Telefonat noch mit seiner Ex gestritten hatte, war aus dieser Perspektive
Nebensache. Nicht für Inez natürlich, schon klar. Sie hatte sich über den seltsamen
Gesprächsbeginn geärgert und zum Besen gegriffen. Aufräumen war die Devise! Das
Treibgut einer Beziehung: Mensch, Thorsten, wann holst du endlich dein doofes Pink-Floyd-Shirt
bei mir ab? Wie lange soll das noch meinen Schrank vollmüffeln? Nur so als Beispiel.
Um etwas mehr als ein T-Shirt würde sich der Streit schon gedreht haben. Vielleicht
um ein Geschenk, das Inez zurückgeben wollte. Etwas Symbolisches, Gefühlsbehaftetes.
    Stopp! Gedankliche Sackgasse: Ab hier ging es nur noch im Spekulationsmodus
weiter. Also zurück zum Ausgangspunkt, zur Chirurgie.
    Die Frage war doch, warum Thorsten Schallmo mit einer Ärztin sprechen
wollte. Weil er einen Rat brauchte, eine Auskunft. Etwas im Zusammenhang mit dieser
kleinen, hervorgehobenen Notiz in seinem Taschenkalender: Chir. 015. Er wollte wissen,
wer in Zimmer 015 lag. Aber dieses Zimmer gab es ja nicht. Hatte er sich telefonisch
erkundigt und

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