Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
schwarz, aber so kühlte er ab, und es half
beim Denken –, während ich also rührte, überlegte ich, wie es weitergehen sollte.
Ganz oben auf meiner To-do-Liste stand der junge Fikret. Als spezieller Schallmo-Hasser.
Auf Position zwei Inez und Daniel. Aber wie sollte ich herausfinden, ob Inez bezüglich
ihres Gesprächs mit Schallmo die Wahrheit gesagt hatte? Und worum es bei ihrem Streit
gegangen war? Wenn sie weiterhin schwieg, würde es wohl nie einer erfahren.
Inez musste also warten. Besser, ich kümmerte mich um die Person, die
neu auf meiner Liste aufgetaucht war: den geheimnisvollen Insassen von Zimmer 015.
So ein Pech, dass ich keine Mediziner kannte. Man brauchte diese Sippschaft eben
doch öfter, als man glaubte!
Und wen kannte ich, der Ärzte kannte? Oh, da gab es einen: Marc Covet,
mein Freund und Hobbyhypochonder. Ein Charakterzug mit zwei y!
»Na?«, fragte er vorsichtig, sobald ich ihn an der Strippe hatte. »Hast
du mit der Lektorin gesprochen?«
»Nö«, log ich. Keine Lust auf dieses unerfreuliche Thema! »Wie geht
es dir, Marc?«
»Wie es mir geht?« Vor Verblüffung blieb ihm die Luft weg. Eine solche
Frage aus meinem Mund – um das zu erleben, hatte er über ein Jahrzehnt mit mir befreundet
sein müssen. »Gut, würde ich sagen. Danke. Ja, alles in Ordnung.«
»Schade eigentlich. Keine Lust auf einen Kurzaufenthalt in der Chirurgie?
Die haben da eine schicke Privatstation.«
»Bitte?«
Ein paar Erklärungen später dämmerte ihm, worum es ging. Wer sich allerdings
in Zimmer 015 versteckte, darüber konnte auch er nur spekulieren.
»Normalerweise würde ich sagen, da lässt sich ein Oberklassen-VIP vom
Chefarzt persönlich pflegen, und zwar so, dass es keiner mitkriegt. Aber warum sollte
das einen Hauptschullehrer interessieren?« Durchs Telefon hörte ich, wie sich Marc
am Bart kratzte. »Vielleicht geht es gar nicht um eine Person, sondern um einen
Gegenstand.«
»Ein Gegenstand, der bewacht werden muss?«
»Ja, zum Beispiel ein brandneues Strahlengerät, das sich noch in der
Testphase befindet. Und in diesem Zimmer läuft eine Versuchsreihe an ausgewählten
Patienten.«
»Ach so. Du meinst, es könnte sich durchaus um etwas Legales handeln?«
»Nun sei nicht gleich enttäuscht. Ich lasse mal meine Verbindungen
spielen und melde mich.«
»Mach das.«
Wenn Marc ankündigte, er wolle seine Verbindungen spielen lassen, klang
das gleich vielversprechend. Denn Verbindungen, die hatte er, berufliche wie private.
Da musste die breite Brust eines Bodyguards noch lange nicht das Ende meiner Ermittlungen
bedeuten.
Und jetzt zu Fikret.
Von Steve Bungert, der sich gerade auf dem Heimweg befand, erhielt
ich die Nachricht, dass der Unterricht längst vorüber und der Junge vermutlich zu
Hause sei.
»Also nicht am Bahnhof oder ähnlichen Hotspots?«
»Meines Wissens nein.«
Bungert gab mir die Adresse der Familie. Fikret selbst kannte er nur
flüchtig, hatte aber eine seiner jüngeren Schwestern in Deutsch. Die Straße sagte
mir etwas: eine der wenigen Hochhauszeilen in Heidelberg, vielleicht sogar die einzige,
wenn man vom architektonischen Wildwuchs in den exterritorialen Stadtteilen Boxberg
und Emmertsgrund einmal absah.
»Danke für die Auskunft, Steve. Und schönes Wochenende!«
»Viel Spaß mit dem Daddy.«
Eine halbe Stunde später stand ich vor einem Hochhaus, das seine Hässlichkeit
mit reichlich Grünzeug zu überschminken versuchte. Hasenleiser City. Freds Schlossblick
lag nur ein paar Straßenecken entfernt und doch in einer anderen Welt. Hier also
war Fikret zu Hause. Zehn Stockwerke auf einem breiten Sockelgeschoss, in dem sich
Geschäft an Geschäft reihte: ein kleiner Supermarkt, ein Reisebüro, Telefonläden,
Fast-Food-Kram. Die Inhabernamen türkisch, griechisch, indisch. Daneben weitere
Hochhäuser mit weniger Etagen.
Hinter einem Spielplatz schloss ich mein Rad ab. Von der Frühjahrssonne
aus den Wohnungen getrieben, saßen vollbusige Mütter auf Bänken, schaukelten mit
der einen Hand den Kinderwagen, während sie mit der anderen am Handy nestelten.
Gequasselt wurde natürlich auch, gerufen, gewinkt, geküsst, gezetert. Schnuller
im Sand, ein Schwung Apfelschorle drüber, zurück in den Kindermund. Ich tätschelte
mein Rad und riss mich los.
Es dauerte seine Zeit, bis ich die richtige Klingel neben der Eingangstür
des Hauses gefunden hatte. Diese Masse von Knöpfen! Ak s ehir, 7. Stock, da stand es; den Namen hatte ich ebenfalls von Bungert.
Mit hübschem
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