Schluessel zur Hoelle
Hände krallten sich um den Sauerstoffschlauch und rissen ihn Chavasse aus dem Mund. Chavasse preßte die Lippen zusammen und drückte noch fester zu. Die Bewegungen des Mannes wurden immer schwächer, und plötzlich erschlaffte er. Chavasse ließ ihn los, und er schwebte durchs Wasser davon.
Der Sand am Grund der Lagune war zu einer großen Wolke aufgewühlt. Chavasse klemmte das Mundstück des Sauerstoffschlauchs wieder zwischen die Zähne und glitt nach oben. Er sah über sich ein wildes Gezappel, als ob zwei Männer verzweifelt im Wasser miteinander rangen.
Er schoß auf die Stelle zu, zog sein Messer aus der Scheide und stach auf eine dunkle, in eine Khakiuniform gekleidete Gestalt ein. Der Soldat schlug heftig um sich und stieß Chavasse weg, so daß er auftauchte.
Ein paar Meter vor ihm rammte ein großes Motorboot gegen das Schlauchboot. Zwei Soldaten umklammerten Francesca, und neben dem Motorboot trieb mit blutüberströmtem Gesicht Orsini im Wasser.
Ein Soldat stürzte, die Maschinenpistole im Anschlag, an die Reling, doch ein Mann in einer dunklen Lederjacke mit Pelzkragen sprang vor und schlug den Lauf weg, so daß die Schüsse in einigen Metern Entfernung ins Wasser prasselten.
»Ich will ihn lebendig!« schrie er.
Einen Moment blickte Chavasse in Adern Kapos wutverzerrtes Gesicht; dann tauchte er und schwamm mit hastigen Schlägen zum Rand der Lagune. Mühsam arbeitete er sich durch das Schilf durch und tauchte auf. Hinter sich hörte er aufgeregtes Stimmengewirr, und dann sprang knatternd die Maschine des Motorbootes an.
Er durchquerte den Hauptkanal, glitt auf der anderen Seite in einen schmalen Seitenarm und schwamm, so schnell er konnte, davon.
9
Das Motorboot bog, das mit einem Tau befestigte Schlauchboot hinter sich herziehend, aus einem Nebenkanal in den Hauptstrom des Bojana-Flusses ein. Am Heck kauerten vier Soldaten. Sie rauchten Zigaretten und unterhielten sich flüsternd. Neben ihnen lagen, mit einer Persenning zugedeckt, ihre zwei Kameraden, die Chavasse in der Lagune getötet hatte.
Orsini war mit Handschellen an die Reling gefesselt; sein Kopf, den ein wuchtiger Gewehrkolbenhieb getroffen hatte, war verbunden, und er schien halb bewußtlos. Francesca Minetti war nicht zu sehen. Auf dem Vorderdeck ging, nervös eine Zigarette paffend, den Pelzkragen seiner Lederjacke hochgeschlagen, Adern Kapo auf und ab.
Orsini beobachtete ihn aus halbgeschlossenen Augen. Nach einer Weile kam ein anderer Mann die Kajütentreppe herauf. Er war etwa ebenso groß wie Orsini, hatte ein narbenzerfurchtes, brutales Gesicht und trug die Uniform eines Obersts der albanischen Armee mit den grünen Insignien des militärischen Nachrichtendienstes am Kragen.
Kapo drehte sich zu ihm um und starrte ihn aus weitaufgerissenen Augen an. »Na?«
Der Oberst zuckte die Achseln. »Es ist nichts aus ihr herauszukriegen.«
Kapos Gesicht lief zornrot an. »Sie haben doch gesagt, es wird klappen, verdammt nochmal. Wir brauchten bloß zu warten; sie würden uns garantiert ins Netz gehen. Was, zum Teufel, soll ich denn jetzt nach Tirana melden?«
»Was soll er tun – immer weiterschwimmen?« Der Oberst lachte spöttisch. »Keine Angst, wir kriegen ihn schon. Eine Nacht im Sumpf wird genügen, ihn mürbe zu machen.«
»Hoffen wir, daß Sie recht haben.«
Kapo ging zu Orsini, blickte einen Moment auf ihn nieder und versetzte ihm dann einen wütenden Fußtritt. Orsini biß die Zähne zusammen und rührte sich nicht. Kapo wandte sich ab und begann wieder ruhelos auf und ab zu wandern.
Als das Motorboot die in den Fluß ragende Landspitze umfuhr, lugte Chavasse vorsichtig durchs Schilf. Es glitt in knapp fünf Meter Entfernung an der Stelle vorbei, an der er bis zur Brust im Wasser stand, und seine geübten Augen erfaßten alles – Orsini und die Soldaten, Kapo, der, im Mundwinkel die Zigarettenspitze, am Bug stand.
Die interessanteste Entdeckung war, daß sich Taschko an Bord befand. Als Chavasse ihn zum letztenmal gesehen hatte, war er wie ein gewöhnlicher Matrose aus Taranto gekleidet gewesen, und jetzt trug er die Uniform eines Obersts des albanischen Nachrichtendienstes, was so manches erklärte. Hinter ihm, durch das Deckhausfenster, sah Chavasse den Kopf und die Schultern Hadschis, des Messerstechers, der am Steuer stand.
Als das Motorboot im Nebel verschwunden war, watete er an Land und setzte sich auf einen einigermaßen trockenen Fleck Boden, um
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