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Schluessel zur Hoelle

Schluessel zur Hoelle

Titel: Schluessel zur Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Chavasse hob den rechten Arm, um dem anderen mit der Handkante einen tödlichen Karateschlag zu versetzen.
    Er hielt inne. Erst jetzt sah er, daß es ein junges Mädchen von höchstens neunzehn oder zwanzig Jahren war. Sie trug ein dickes, wasserdichtes Jagdwams, Kordbreeches und Stiefel und hatte dunkles, kurzgeschnittenes Haar wie ein Junge, hohe Backenknochen und dunkelbraune Augen.
      »Das ist aber mal eine Überraschung«, sagte er leise und setzte sich auf.
      Sie lag da und starrte ihn verblüfft an; dann sprang sie mit katzenhafter Gewandtheit auf, riß das Gewehr hoch und richtete es auf seine Brust. Er wartete. Der Lauf schwankte; dann ließ sie ihn langsam sinken. Sie lehnte das Gewehr an den Tisch und musterte ihn neugierig. Ihr Blick schweifte über seine nackten Füße und die Hose und das Hemd, die naß an ihm klebten.
      Sie nickte. »Sie sind auf der Flucht, was? Wer sind Sie? Ein entsprungener Sträfling?«
      Er schüttelte den Kopf. »Auf der Flucht bin ich, aber ich bin kein Sträfling.«
      Sie runzelte die Stirn und packte wieder das Gewehr. »Eins steht fest: Sie sind kein Geg. Sie sprechen wie ein Tosk aus der großen Stadt.«
      Chavasse wußte von der Feindschaft, die immer noch zwischen den beiden Hauptbevölkerungsgruppen Albaniens herrschte: den Gegen im Norden mit ihrer Stammes- und Familientreue und den Tosken im Süden, bei denen der Kommunismus auf fruchtbaren Boden gefallen war.
      Es gab Situationen, in denen ein Mann bluffen mußte, und dies war so eine. Er verzog sein Gesicht zu dem unwiderstehlichen charmanten Lächeln, das eine seiner stärksten Waffen war, und hob die Hand, als er sah, daß sie das Gewehr wieder hob.
    »Ich bin weder Geg noch Tosk. Ich bin Ausländer.«
      Sie sah ihn zutiefst verblüfft an. »Ausländer? Woher kommen Sie? Aus Jugoslawien?«
    Er schüttelte den Kopf. »Aus Italien.«
    Ihre Miene hellte sich auf. »Aha, ein Schmuggler.«
    »So was Ähnliches. Wir wurden von Soldaten überrascht. Ich konnte entkommen. Ich glaube, meine Freunde haben sie nach Tama gebracht.« Sie starrte ihn nachdenklich an, und er streckte ihr die Hand hin.
    »Paul Chavasse.«
    »Franzose?«
    »Und Engländer. Halb und halb.«
      Sie entschloß sich endlich und drückte seine Hand. »Liri Kupi.«
      »Es gab einmal einen Geg-Häuptling namens Abas Kupi. Er war der Anführer der Legaliteti, der monarchistischen Partei.«
      »Er war der Häuptling unseres Stammes. Nachdem die Kommunisten die meisten seiner Parteifreunde bei einem sogenannten Verbrüderungstreffen ermordet hatten, floh er nach Italien.«
      »Sie scheinen Hodscha und seine Leute nicht besonders zu mögen.«
    »Hodscha?«
    Sie spuckte verächtlich aus.

    10

      Chavasse stand auf der Bastmatte neben dem großen Bett und rieb sich mit einem Handtuch ab, bis seine Haut glühte. Dann zog er schnell die Sachen an, die Liri ihm gegeben hatte: eine Kordhose, ein kariertes Wollhemd und knielange Lederstiefel, die eine Nummer zu groß waren, so daß er sie noch einmal ausziehen und ein zweites Paar Socken überstreifen mußte.
      Die Sachen hatten ihrem Bruder gehört. Er war mit achtzehn Jahren zur Armee eingezogen worden und bei einem der Feuergefechte, zu denen es fast täglich an der jugoslawischen Grenze kam, gefallen. Ihr Vater hatte den Legaliteti, der monarchistischen Partei, angehört, und war im letzten Kriegsjahr bei den Kämpfen in den Bergen gefallen. Seit dem Tod ihrer Mutter lebte sie allein in den Sümpfen, wo sie geboren und aufgewachsen war, und verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit Jagen und Fallenstellen.
      Als er ins Wohnzimmer zurückkam, saß sie am Feuer und rührte in einem großen, an einem Haken hängenden Topf. Sie drehte sich um, strich sich das Haar aus der Stirn und lächelte.
      »Gleich gibt es was zu essen. Sie müssen ja ganz ausgehungert sein.«
    Er zog einen Stuhl an den Tisch und sah gierig zu,
      wie sie einen Blechteller mit Fleisch und Gemüse füllte. Ohne viele Worte zu verlieren, nahm er seinen Löffel und begann zu essen. Als er fertig war, tat sie ihm eine zweite Portion auf den Teller.
      Er lehnte sich seufzend zurück. »So gut hat es mir schon lange nicht geschmeckt.«
    Sie öffnete eine Flasche und schenkte eine klare, farblose Flüssigkeit in ein Glas. »Ich würde Ihnen gern eine Tasse Kaffee anbieten, aber er ist bei uns sehr schwer zu bekommen. Das hier ist ein selbstgebrannter Schnaps. Sehr stark, wenn man ihn nicht gewöhnt

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