Schluessel zur Hoelle
ist, aber das beste Mittel gegen Sumpffieber.«
Der Schnaps explodierte förmlich in seinem Magen, und eine angenehme Wärme durchströmte ihn. Er hustete, und Tränen stiegen ihm in die Augen. Sie öffnete eine alte Dose und bot ihm eine Zigarette an. Es waren mazedonische aus grobem, braunem, lockerem Tabak mit langem Mundstück. Chavasse verstand damit umzugehen: Er knickte das Mundstück um, beugte sich über den Tisch, und sie gab ihm mit einem brennenden Holzspan Feuer.
Sie zündete sich ebenfalls eine an, tat einen tiefen Zug und sagte leise: »Sie sind kein Schmuggler. Und auch kein Seemann. Dafür haben Sie zu zarte Hände.«
»Sie haben mich durchschaut. Ich habe gelogen.«
»Dafür haben Sie sicher einen guten Grund gehabt.«
Er blickte einen Moment nachdenklich in sein Glas, dann beschloß er, seine Karten aufzudecken. »Haben Sie schon mal von der Jungfrau von Skutari gehört?«
»Von der Schwarzen Madonna? Selbstverständlich. Sie ist vor drei Monaten verschwunden. Man nimmt allgemein an, daß die Regierung in Tirana sie gestohlen hat. Es paßt ihr nicht, daß die Kirche in letzter Zeit wieder so großen Einfluß auf die Bevölkerung gewinnt.«
»Ich bin hier, um sie zu suchen«, sagte Chavasse. »Sie soll an Bord eines Motorbootes sein, das in einer Sumpflagune in der Nähe der Küste gesunken ist. Meine Freunde und ich wurden bei der Suche von Militär überrascht.«
Er erzählte ihr von Francesca Minetti und Giulio Orsini und Carlo und der Buona Esperanza. Als er fertig war, nickte sie langsam.
»Eine schlimme Sache. Die Sigurmi werden sie ausquetschen. Sie haben ihre eigenen Methoden, Leute zum Reden zu bringen – keine feinen Methoden. Das Mädchen tut mir leid. Weiß Gott, was sie mit ihr machen werden.«
»Ob es wohl möglich ist, nach Tama hineinzukommen?« sagte Chavasse. »Vielleicht kann ich herauskriegen, was mit ihnen geschieht.«
Sie sah ihn ernst an. »Es gibt bei uns ein altes Sprichwort: Nur ein Narr steckt seinen Kopf in den Rachen des Tigers.«
»Sie werden ihre Suche bestimmt auf die Sümpfe entlang der Küste konzentrieren«, sagte Chavasse. »Wer könnte mich nach Tama hineinschmuggeln?«
»Vielleicht wüßte ich eine Möglichkeit.« Sie stand auf, ging zum Kamin und blickte, die Hand auf den Sims stützend, ins Feuer. Dann drehte sie sich um und sagte: »Es gibt jemand, der Ihnen helfen könnte, einen Franziskaner – Pater Schedu. Im Krieg war er ein berühmter Widerstandskämpfer, eine fast legendäre Gestalt. Es wäre von den Kommunisten politisch sehr unvernünftig, solch einen Mann zu verhaften oder zu erschießen. Sie begnügen sich damit, ihm das Leben schwerzumachen natürlich stets mit äußerster Höflichkeit.«
»Lebt dieser Pater Schedu in Tama?« fragte Chavasse.
»Am Rand der Stadt liegt ein mittelalterliches Kloster. Man hat darin die örtlichen Militärdienststellen untergebracht. Die katholische Kirche wurde zu einem Restaurant umgebaut, doch am Wasser gibt es noch eine alte Klosterkapelle. Dort hält Pater Schedu seine Gottesdienste.«
»Ist es schwierig, hinzukommen?«
»Es ist nur eine halbe Stunde von hier. Ich habe einen Außenbordmotor. Nicht sehr zuverlässig, aber soweit wird er’s schon schaffen.«
»Könnten Sie ihn mir leihen?«
»Unmöglich.« Sie schüttelte den Kopf. »Auf dem Fluß würden Sie nicht einen Kilometer weit kommen. Ich kenne alle möglichen Seitenwege.«
Sie holte eine Ölhaut und eine alte Schirmmütze von einem Haken an der Tür und warf ihm beides zu. »Kommen Sie.«
Sie nahm ihr Jagdgewehr, und sie verließen das Haus und gingen zum Fluß hinunter. Chavasse sah auch jetzt kein Boot an dem kleinen Landungssteg. Sie ging daran vorbei und führte ihn durch dichtes Unterholz zu einer kleinen gerodeten Stelle, die sanft ins Wasser abfiel. Ihr Boot, ein flacher Kahn mit einem alten Motor am Heck, war an einem Baum festgebunden.
Chavasse stieß ab, und sie startete den Motor. Er sprang knatternd an, und sie glitten durch das Schilf auf den Fluß hinaus.
Liri Kupi verstand ausgezeichnet mit dem Boot umzugehen. Als sie an eine Stelle kamen, wo Sandbänke und zackige Felsen aus dem Wasser ragten, steuerte sie geschickt um die Hindernisse herum.
Nach einer Weile verließen sie den Bojana und bogen in einen schmalen Seitenarm ein, der sich in einem Halbkreis durch einen großen, von zahllosen Lagunen und Wasserläufen durchzogenen Sumpf
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