Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Dodo zur neuen Vorsitzenden gewählt. Dafür braucht sie jede Stimme. Du musst also unbedingt kommen!«
Das war also Dodos Geheimnis. Und sie hat nur auf den richtigen Moment gewartet. Genial! Auch wenn es mir widerstrebt, mich im Dorf sehen zu lassen: Da muss ich hin.
»Olaf, es tut mir Leid, ich muss dich schon wieder verlassen. Aber nur für kurze Zeit. Wirst du auf mich warten?«
»Aber immer doch, meine Prinzessin! Willst du mich vorher noch am Herd festketten?«
»Nein, wieso?« Was hat der denn für Ideen?
»Na, dann mache ich das wohl selber. Ich werde kochen. Magst du Hirschgulasch? Mit Serviettenknödeln?«
»Im Mai?«
»Man muss antizyklisch denken. Nur so kann man sich von der Masse lösen. Und du löst jetzt mal deine Masse vom Boden und machst dich vom Acker. Wo willst du überhaupt hin?«
»Ins Dorf. Dringende politische Verpflichtungen. Ein Putsch.«
»Klingt ja hochinteressant. Aber von Politik habe ich keine Ahnung.«
»Macht nichts. Ich auch nicht.«
Mit dem Fahrrad eiere ich zu Brigittes Wohnung, meinen Reisepass in der Hosentasche. »Ganz wichtig: Du musst dich bei den Wahlhelfern ausweisen können!«, hat Brigitte mir eingeschärft.
»Warum das denn? Im Dorf kennen mich doch alle.«
»Aber es wird dich niemand wiedererkennen. Oder willst du Ziel des Dorfklatsches werden? Die, die ihr Auto versenkt hat? Da lachen jetzt schon alle drüber.«
Ach ja, das Auto. Hatte ich ganz vergessen. Und Monique möchte ich den Triumph auch nicht gönnen, als neue Inhaberin meines Verlobten vor mir zu stehen.
Brigitte hat einmal tief in den Verkleidungsfundus des Kindergartens gegriffen und verpasst mir nun eine neue Identität. Pumphosen aus Satin, eine langhaarige, blonde Perücke, diverse kunstvoll drapierte Glitzerschals, Paillettenstirnband und Show-Make-up. Ich sehe aus wie ein Viertel ABBA auf Geschäftsreise.
Mein Auftauchen bei der Versammlung zur Neuwahl des Vorstandes des Dorfemeuerungskomitees löst natürlich kurzfristig gesteigerte Aufmerksamkeit auf, aber Brigitte gibt mich als schwedische Austauschpraktikantin aus, und es scheint mich wirklich niemand zu erkennen. Selbst meine eigenen Eltern nicht. Heiner sowieso nicht, der hat nur Augen für Monique, gegen deren Outfit meines geradezu dezent wirkt.
Das Interesse an mir lässt nach, als Dodo mit ihrer flammenden Rede beginnt, in der sie »unerhörte Missstände« anprangert und von »chaotischen Verhältnissen, die Hab und Gut, Heim und Hof bedrohen« spricht. Sie weiß schon, womit sie die Leute packen kann. An Hab, Gut, Heim und Hof hängen sie doch alle. Aber wird das reichen, um gegen Moniques jahrelange Lobbyarbeit – unter anderem in den Betten einiger anwesender Herren – eine Chance zu haben?
Wir schreiten zur Wahl. Brigitte nimmt mich mit in die Kabine – angeblich, damit ich Einblick in die hiesige Demokratie bekomme –, nimmt dann eine der Wahlhelferinnen (eine Kollegin von ihr) zur Seite, zeigt ihr meinen Pass und erklärt leise die Situation. Ein paar Augenblicke später habe ich einen Stimmzettel vor mir. Ich wähle Dodo. Mal sehen, was sie noch vorhat.
Ich radele zurück zur Musterhaussiedlung, allerdings ohne das ABBA-Outfit, an dem Olaf sicher seine Freude gehabt hätte.
Wir haben entschieden, uns einmal durch die Siedlung zu wohnen. Jeden Tag ein neues Haus. Damit ich nicht durcheinanderkomme, hat er mir in einem Prospekt angekreuzt, wann wir wo wohnen werden.
Unser Haus des Tages:
Modell Flair
Baujahr:
1975
Material:
Holz, Glas, Marmor
Größe:
150 Quadratmeter
Zimmer:
1– offene Bauweise
Zukunftsprognose: Wenn ich mit Heiner hier wohnen würde, müsste ich ihm immer beim Essen zugucken – die Küche ist aus jedem Winkel einsehbar. Schwiegermutter würde jede noch so kleine Wollmaus entdecken, sogar ohne heimlich in anderen Zimmern rumschnüffeln zu müssen; das würde sie aber vermissen. Nachbarn und Autohauskunden hätten durch die großen Glasflächen idealen Einblick in unser Privatleben. Und ich müsste von morgens bis abends Fenster putzen. Jeden Tag.
Olaf hat phantastisch gekocht und den Tisch wunderschön gedeckt. Neben ihm werde ich mich nie wie eine Hausfrau fühlen, und das ist auch gut so.
»Was denkst du?« Er ist wirklich der erste Mann, der mich so etwas fragt. Das ist eine weibliche Frage. Männer fragen: Wo ist mein Autoschlüssel? Oder: Holst du mir noch ein Bier? Wobei Letzteres natürlich keine Frage, sondern ein Kommando ist. Ansonsten sind Männer eher nicht
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