Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
verstoßen hat und dass das ja so nun nicht ginge und ob er je den Ratgeberteil einer Illustrierten gelesen hat und ob ich ihm mal etwas Nachhilfe im Listenschreiben geben soll, da klingelt mein Telefon. Heiner steht auf dem Display.
»Das ist Heiner!«, sage ich aufgeregt. »Ich gehe da lieber nicht ran.«
»Doch«, sagt Olaf streng, aber liebevoll. Wie ein Vater in einer Fernsehserie.
»Wieso denn? Ich habe keine Lust.«
»Denk an Punkt eins deiner Liste. Weiß er überhaupt davon? Wann hast du das letzte Mal mit ihm gesprochen?«
»Öhhh ...« Das weiß ich nicht. Wann habe ich das letzte Mal mit Heiner gesprochen? Keine Ahnung. Habe ich überhaupt je mit ihm gesprochen? Ich kann mich nicht erinnern.
»Aha«, sagt Olaf wissend. Woher weiß der eigentlich, was ich denke? »Dann solltest du vielleicht jetzt mal damit anfangen.«
»Ach, das lohnt sich doch auch nicht mehr.«
Olaf kann nicht weiter streng gucken, denn er muss lachen.
»Das ist nicht komisch!«, protestiere ich und fange dann doch an zu grinsen. Es ist doch komisch. Ich bin seit Jahren mit jemandem verlobt, ohne mit ihm zu sprechen. Dass das überhaupt möglich ist! Mein Leben mit Heiner – eine einzige Schweigeminute. »Ich kann doch nicht am Telefon mit ihm Schluss machen!«
Das Telefon hat längst aufgehört zu klingeln. Ein kurzes Piepen verkündet, dass Heiner eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hat. Vielleicht ist er weniger taktvoll? Trennung per Anrufbeantworter? Zuzutrauen wäre es ihm. Dann bin ich ihn wenigstens los.
Aber was wäre, wenn alles anders wäre? Wenn Heiner sich geändert hätte? Wenn wir mal miteinander reden und ich feststelle, dass er doch mein Traummann ist?
»Du bist noch nicht über ihn weg«, diagnostiziert Olaf, der Hobbypsychologe, dem die Frauen vertrauen.
»Doch. Nein. Weiß nicht.« Jetzt ist das alles gar nicht mehr komisch und ich muss heulen. Jahre meines Lebens sollen verschwendet gewesen sein – und jetzt muss ich womöglich bis an mein Lebensende leiden, weil ich nie wieder einen neuen Mann finde. »Keiner will mich«, schluchze ich rotweininspiriert. Für eine halbe Sekunde denke ich an Kilowatt, aber der gehört hier gerade ganz eindeutig nicht hin.
»Du hast doch mich«, tröstet mich Olaf und legt seinen Arm um mich.
»Aber du willst nicht knutschen!«, beschwere ich mich. »Was ist nun besser: Knutschen oder reden? Und wann hast du das letzte Mal mit Heiner geknutscht?«
Da hat er nun auch wieder Recht. Wann überhaupt? Das ist mindestens Jahre, wenn nicht Jahrhunderte her.
»In der Stein- oder in der Bronzezeit? Ich kann mich nicht erinnern. Ist das eigentlich bei allen Paaren so? Hört man auf zu knutschen, wenn man immer die Gelegenheit hat?«
»Keine Ahnung. Ich hatte noch keine längere Beziehung. Immer nur Affären, die böse endeten. Oder böse enden werden«, sagt Olaf.
»Wieso enden werden? Mit wem hast du denn gerade eine Affäre?«
Er seufzt. »Mit dem Boss der Siedlung hier. Hast du dich nicht gewundert, dass ich an die ganzen Schlüssel rankomme? Und dass die Toiletten und Wasserhähne plötzlich funktionieren? Das weiß ich alles von ihm. Und er küsst wie Clark Gable.« Olafs Blick trübt sich schwärmerisch. Er sieht aus wie ein Teenager.
»Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wie Clark Gable küsst – aber sieht er auch aus wie Clark Gable?«
»Nein, eher wie Winnie the Pooh.«
»Und warum glaubst du, dass es böse enden wird?«
»Weil er sagt, er sei noch nicht reif für eine neue Beziehung, so kurz nach der Trennung von seiner Frau.«
»Frau?« Ich sehe ihn verdutzt an.
»Frau«, wiederholt Olaf. »Sie hat ihn vor zweieinhalb Jahren verlassen, für einen Dachdecker. Das muss man sich mal vorstellen! Er hat sehr gelitten. Vor allem sein Ego. Deshalb kriegt er auch bei Frauen keinen mehr hoch, sagt er.«
»Und bei dir?« Ich will es dann doch genauer wissen.
»Naja, auch nicht so richtig. Aber vielleicht wird das ja noch. Ich muss ihm nur genug Freiheit geben und immer schön sein Selbstbewusstsein stärken.« Olaf versucht, zuversichtlich zu lächeln.
»Daran glaubst du doch nicht wirklich, oder?«
»Nein. Ich glaube, dass er wie doof mit allen möglichen Frauen und Männern vögelt und mich nur als seinen seelischen Mülleimer benutzt.« Olaf zieht ein Gesicht, als hätte ihm jemand Domestos in den Rotwein geschüttet.
»Schlimm?«, frage ich.
»Nee. Zuerst ja. Aber jetzt ist es nur noch ... eklig. Ich weiß gar nicht, warum ich das mitmache.
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