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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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darf. Zum Glück hat Olaf mehr Talent in Haushaltsdingen als ich. Ich sehe einfach zu, dass ich so wenig wie möglich schmutze.
    ***
    Freitag, 20. Mai
    Unser Haus des Tages:
    Modell W2XL Maximum B3.2 ÖSP Primus Luxus – das »Haus für Gewinner«
    Baujahr:
    2005
    Material:
    Roter Klinker, Fliesen, Strukturputz
    Größe:
    114 Quadratmeter
    Zimmer:
    1 Wohnschlauch, 3/2 Zimmer
    Zukunftsprognose: Dieses Haus wäre meine Zukunft gewesen. Heiner und ich hätten es morgen bei der großen Fertighausverlosung gewonnen, einen Monat später hätten wir einziehen können. Neben den Schwiegereltern, mit Blick vom Wohnzimmer auf die Ausstellungsfläche der Opel-Filiale. Es wäre vielleicht nicht alles ganz nach meinem Geschmack gewesen, aber: »Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!« Mein weiteres Leben würde ich im Schlund – dem sogenannten »offenen Wohnbereich« – des Eigenheims verbringen und dort den Versuchungen des Homeshoppingkanals anheim fallen. Bald hätte ich die teuersten und angeblich effektivsten (wenn man sie nur lange genug einwirken lässt) Putzmittel der Welt, jede Menge günstigen Goldschmuck und figurfreundliche Hosen. Wahrscheinlich auch eine Figur, die darauf angewiesen ist, dass wenigstens eine Hose freundlich zu ihr ist.
    Das W2XL Maximum B3.2 ÖSP Primus Luxus ist das Schlimmsten von allen Häusern. Ein Großteil der Quadratmeter ballt sich im Wohn-Ess-Bereich, der den Charme eines Parkhausdecks hat – eine Art Halle mit niedriger Decke, mit hygienisch-klinisch gekacheltem Fußboden, auf dem man immerhin exquisit schliddern kann. Das machen Olaf und ich auch, nachdem wir die lilagemusterten Sofa-Ungetüme zur Seite geschoben haben. Nehmen Anlauf und rutschen auf Socken um die Wette, und wer es (ohne zwischendrin noch mal Schwung zu holen) vom offenen Kamin bis zur Wohnwand schafft und auf dem Vitrinenglaseinsatz einen sichtbaren Finger- oder Handabdruck hinterlässt, bekommt einen Punkt. Für fünf Punkte muss der andere einem eine Geschichte aus dem Heft Meine Gänsehaut vorlesen.
    Nach ungefähr hundert Kilometern Wettschliddern und sieben Geschichten von Mein Mann wollte mich ermorden bis zu Ich sah, wie die Katze unserer Nachbarn von Außerirdischen entführt wurde fallen wir erschöpft auf die Wohnlandschaft.
    »Glaubst du, dass die Gewinner auch so viel Spaß in diesem Haus haben werden?«, frage ich Olaf.
    »Hmm. Schwer zu sagen. So wie wir bestimmt nicht«, sagt er und wackelt mit seinen Füßen. »Die nehmen das ja alle so ernst. Das Bauen. Das Wohnen. Die Häuser. Viel zu ernst. Dabei ist doch das alles nur eine Illusion. Eine Seifenblase. Wir – und damit meine ich uns Musterhausvertreter – tun doch alle so, als würden wir ewige Glückseligkeit verkaufen. Dabei sind das nur ein paar poröse Steine mit einem Dach drauf. Aber die Leute verwechseln das mit ihrem Leben. Sie denken, es reicht, wenn man so ein Haus baut, alles andere kommt dann schon von alleine.«
    »So habe ich doch auch gedacht. Oder, nein: Ich habe gar nicht gedacht. Ich habe geglaubt, das gehört einfach dazu. Natürlich verlobt man sich, natürlich baut man ein Haus. Was denn sonst?«
    »Das ist ja auch nicht schlimm. Wenn man es bewusst tut. Aber warum sollte man sich dann für ein Musterhaus entscheiden? Und dabei noch das Gefühl haben, man wäre individuell, nur weil man zwischen dreiundzwanzig verschiedenen Kachelmotiven im Bad wählen kann. Das ist doch ein Leben wie aus einem Bausatz. Möglichst so sein wie die Nachbarn. Ein klein bisschen anders, aber nicht zu sehr, damit nicht geredet wird. Was ist denn mit den Menschen, die nicht ins Schema passen? Was wäre gewesen, wenn du dich nicht verlobt hättest? Wenn du, so sagt man doch ›keinen abbekommen‹ hättest? Was ist mit denen, die arbeitslos werden? Was ist, wenn die Nachbarn dann doch ›reden‹? Dann sitzt man in seiner eigenen privaten Vorhölle und schmort vor sich hin. Wie eine Weihnachtsgans, nur nicht so lecker.«
    Ich könnte ihn schon wieder küssen. Er ist so leidenschaftlich, so mitreißend, so engagiert und so hübsch wütend. Der Mann will etwas. Vielleicht nicht von mir, jedenfalls nichts, was mit meinem Körper zu tun haben könnte. Er will etwas vom Leben. Und ich auch. Neuerdings. Mir wird ganz kribbelig. Mit ihm will ich mein Leben verbringen. Hey, das ist ja mal ein Plan für die Zukunft! Für meine eigene, neue Zukunft. Zwar kein wirklich konkreter, ausgearbeiteter Plan, aber immerhin.
    ***
    Samstag, 21. Mai
    Neben dem

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