Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Sekundenzeiger –, renne ich zurück zum Bad, bleibe aber vor der Tür stehen.
»Olaf, kommst du bitte mit? Ich trau mich nicht!«, rufe ich und schicke noch ein nervöses »Schnell!« hinterher.
Er steht sofort neben mir. »Darf ich wirklich mit gucken?«
»Ja«, sage ich und ziehe ihn ins Bad. »Also: Ein Strich heißt nicht schwanger, zwei Striche bedeuten schwanger. Wie viele Striche siehst du?«
Olaf guckt sich das weiße Plastikteil näher an. »Eineinhalb.«
»Mach jetzt bitte keine Witze«, herrsche ich ihn an. Er ist ein Mann, kapiert er deshalb den Ernst der Lage nicht? »Das ist kein Witz. Guck doch selber!«
Ich werfe auch einen Blick auf das Testergebnis. Eindeutig: Eineinhalb Striche. Einer ganz deutlich, der zweite schwach, aber sichtbar. Von so einem Ergebnis steht nichts in der Gebrauchsanleitung. Hieß der Test nicht Schwanger: Ja oder nein? Ein total irreführender Name! Ich werde dem Hersteller vorschlagen, den zu ändern. Am besten in Schwanger: Ja, nein oder vielleicht?
»Vielleicht bist du ein bisschen schwanger«, vermutet Olaf. »Oder noch nicht so ganz.«
»Auf jeden Fall bin ich jetzt nicht schlauer als vorher.«
»Aber vielleicht gleich.« Olaf zieht einen zweiten Test aus der Tasche. »Ich habe zwei gekauft. Eigentlich wollte ich aus Solidarität auch einen machen, aber ich dachte dann, vielleicht brauchen wir den doch noch. Männliche Intuition.«
Der neue Test ist auf jeden Fall ganz leicht zu bedienen. Oder bin ich mittlerweile routiniert? Und das Ergebnis ist ...
»Eindeutig!« sagt Olaf, der wieder zuerst draufgucken darf.
»Eindeutig was?« Ich zwinge mich, die Augen zu öffnen und hinzusehen. Das Anzeigefeld leuchtet Signalrot.
»Eindeutig schwanger! Zwillinge. Eineiig. Mädchen. Musikalisch begabt«, sagt Olaf.
»Ausgeschlossen«, antworte ich, ohne es richtig zu merken. »In meiner Familie kann niemand ein Instrument spielen, und Heiners Sippe ist ja offensichtlich völlig taktlos.«
Schwanger.
Ich.
Wirklich.
Hmm.
Seltsam!
Seltsam ist auch, dass mir der Gedanke gar nicht unangenehm ist. Ein Kind? Das habe ich mir nie vorstellen können. Jetzt schon. Auf einmal. Nur weil dieses Feld dort rot leuchtet. Ein Signal von meinem Kind. Ich merke, wie mit gleichzeitig ganz warm und ein bisschen kalt wird.
Ich sehe Olaf an. Er hat Tränen in den Augen.
»Was hast du denn?«
»Ich bin gerührt«, schluchzt er. »Das ist so ein besonderer Moment. Versprich mir bitte, dass ich wenigstens Patenonkel werden darf.«
»Versprochen«, schluchze ich zurück und drücke seine Hand. So fühlt es sich also an, Mutter zu werden. Ich könnte die Welt umarmen! Ich muss sofort Mutti anrufen. Und Brigitte. Und Dodo. Und Heiner? Nein, Heiner lieber nicht. Später vielleicht.
Mutti verschlägt die Nachricht vom Enkelkind die Sprache. Zum ersten Mal erlebe ich, dass sie wirklich minutenlang nichts sagt. Kein: »Von wem ist es, wann wollt ihr heiraten, in welcher Woche bist du, du sahst neulich auch schon dicker aus, wie soll es heißen, ich hole schon mal den alten Stubenwagen vom Dachboden.« Irgendwann kommt ein: »Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet«. Und dann, endlich: »Das ist ja wunderbar!«
»Außerdem habe ich wieder Geld. Viel Geld.«
»Ich weiß. Das Bauland.«
Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell sich manche Dinge im Dorf herumsprechen.
»Mutti, du möchtest doch sicher, dass ich zurückkomme. Aber ich weiß nicht, ob ich das will.«
»Kind, natürlich möchte ich das. Aber es ist völlig egal, was ich möchte. Du musst entscheiden, was richtig für dich ist. Das kann dir keiner abnehmen.«
Wir schweigen einen Moment.
»Pass auf dich auf!«, verabschiedet sich Mutti dann. Komisch, so etwas sagt sie sonst nie.
»Ein Kind? Das kann ich mir gar nicht vorstellen! Was willst du jetzt machen?« Brigitte ist nicht annähernd so sprachlos wie meine Mutter.
»Keine Ahnung«, sage ich.
»Du könntest dir hier eine fette Hütte im Dorf bauen, eine richtige Villa. Monique wird platzen vor Neid. Und für Kinder ist das hier ein Paradies!«
»Du redest wie meine Mutter.«
»Das nehme ich jetzt mal als Kompliment. Komm zurück, du wirst die Queen of the Dorf sein. Von wem ist das Kind eigentlich?«
»Dazu möchte ich jetzt lieber nichts sagen.«
»Okay. Und, kommst du zurück?«
»Ich glaube nicht.« Hey, ich habe eine Entscheidung getroffen. Okay, die ist vielleicht noch etwas zaghaft formuliert, aber immerhin: Ich habe eine vage Ahnung. Nicht davon, was
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