Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Wem das wohl gehört? Auf jeden Fall niemandem aus dem Dorf, denn dort fahren ja alle Opel, so einflussreich ist Heiners Vater.
Um 20.21 Uhr biegt ein schwarzer Opel Omega von der Landstraße ab. Er hält vor mir. Der Bürgermeister steigt aus, öffnet den Kofferraum und holt – nein, leider keinen schicken gerillten Alu-Koffer heraus. Sondern eine rosa-türkis gemusterte Sporttasche. Darauf sind kleine Männchen abgebildet, die Aerobic-Übungen praktizieren. Garantiert eine Altlast von Monique. Aber das Geld ist drin. Ich zähle nicht nach, so viel Zeit habe ich auch nicht, aber dank meines Jobs in der Bank kann ich sehen, dass die Menge der Scheine ungefähr stimmen muss. Dann unterschreiben wir den Kaufvertrag und ich sage noch, nur mal so als Warnung, denn man kann ja nie wissen: »Ich gehe davon aus, dass das hier«, dabei deute ich lässig auf die Papiere, »alles in Ordnung ist. Falls nicht, wird ihr Leben zur Hölle werden. Meine Mutter wird höchstpersönlich dafür sorgen.« Der Satz hat eine erstaunliche Wirkung, denn beim Gedanken an meine Mutter scheint er wirklich ein bisschen zu schaudern. Dabei habe ich keine Ahnung, was sie tun würde. Ihm die Stiefmütterchen aus dem Vorgarten pflücken? Ihm einen toten Regenwurm zur Einschüchterung auf die Türschwelle legen? Ich kenne mich nicht aus mit Mafia-Methoden, aber der Bürgermeister sagt kleinlaut: »Das ist alles korrekt. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort.« Männer und ihre Ehrenwörter, das ist so eine Sache. Gerade im Norden sollte man damit ja aus Erfahrung sehr vorsichtig sein. Aber ich will ihm mal glauben.
Ich habe das Geld! Ich bin reich! Ich kann es kaum glauben. Mit der unsäglich scheußlichen Aerobictasche über der Schulter gehe ich zu Olaf, der die Kündigung – und damit wohl auch das offizielle Ende seiner inoffiziellen Affäre – erstaunlich gefasst aufgenommen hat.
Unser Haus des Tages:
Modell Edeltraut
Baujahr:
1974
Material:
wahrscheinlich Pressholzplatten
Größe:
95 Quadratmeter
Zimmer:
4
Zukunftsprognose: Dieses Modell ist die Urmutter aller Fertighäuser. 1974 wurden sie noch nach der Bauherrin benannt. Wenn dieses Haus meines wäre, hieße es also Silke. Dann säße Silke in Silke und würde auf Heiner warten, der seine Zeit lieber in Monique verbringt (und damit ist, um es ganz deutlich zu sagen, kein Haus gemeint) verbringt. Mir würde das nichts aus machen, denn meine Gefühle wären mit der Zeit zu Pressholz geworden wie die Wände des Hauses ...
... nein! Meine Zukunft sieht anders aus. Das weiß ich jetzt. Wieso sollte ich mir ein Fertighaus kaufen und auf Heiner warten, wenn ich doch die Tasche voller Geld habe und Olaf zum Freund? Ab sofort werde ich aufhören, mir meine Zukunft vorzustellen. Ich werde sie einfach leben.
»Mit Edeltraut hat der blöde Sack seine erste Million gemacht«, reißt mich Olaf aus meinen Gedanken. Wie bitte? Ach so. Er meint seinen Chef. Ex-Chef. Ex-Liebhaber.
»Hat er dich wirklich einfach so gefeuert, oder war das bloß ein kleiner intimer Scherz, den ich nicht verstanden habe?«
»Nee, der hat das ernst gemeint.«
»Und nimmt dich das sehr mit?«
»Naja, ich habe ja nicht gerade an dem Job gehangen. Aber die Moderation hat mir Spaß gemacht. Es lief so gut und dann, peng, hat der mir einfach die Kündigung vor den Latz geknallt. Nette Belohnung. Jetzt muss ich mir auch einen neuen Job suchen. Und wir werden umziehen müssen. An die Musterhausschlüssel komme ich nächste Woche nämlich nicht mehr ran.«
Erstaunlich, wie gelassen er ist. Es scheint ihm überhaupt nichts auszumachen. Okay, er hat damit gerechnet. Aber so ein bisschen Schmerz, ein klein wenig Bedauern? Verletzte Eitelkeit? Wenigstens gekränkter Stolz? Zumindest lässt er sich nichts anmerken. Oder er ist gut im Verdrängen. Genau wie ich. Deshalb bohre ich auch nicht nach, sondern leite geschickt zu einem erfreulicheren Thema über: »Ach, wir finden schon was. Ich habe nämlich gerade meine erste halbe Million gemacht. Fast zumindest. Guck mal in diese Tasche !«
»Und ich dachte schon, da sind die Überreste der Aerobic-Tante drin, die vorhin das Haus und deinen Verlobten samt Anhang gewonnen hat.«
»So etwas traust du mir zu?«
»Ehrlich gesagt: Wer mit so einer hässlichen Tasche herumläuft, dem traue ich alles zu. Mach mal auf!«
Ich zurre den Reißverschluss nach hinten und gebe den Blick auf die Scheine frei.
»Wahnsinn!«, sagt Olaf. »Man könnte darin baden.«
»Wie Onkel Dagobert«, sage
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