Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
nächsten Kleinstadt aufzusuchen und deren blonde Strähnchen jetzt angeblich einen eigenartigen Schimmer haben.
»Warum sind die Tusneldas hier? Sind das etwa deine neuen Freundinnen?«, zischt Brigitte Dodo zu.
Die bleibt ganz gelassen. »Nö«, antwortet sie cool. »Das ist rein politisches Networking.«
»Hä? Wie meinst du das denn?«, hakt Brigitte nach. »Von Politik haben die doch gar keine Ahnung.«
»Müssen sie auch gar nicht. Es reicht, wenn ich davon Ahnung habe. Und mit drei Kindern ist man irgendwann sicher auf diplomatischem Parkett.« Dodo grinst.
»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Worauf willst du hinaus? Was hast du vor?«
»Es ist noch zu früh, darüber zu reden. Aber ich verspreche dir: Wenn es soweit ist, wirst du eingeweiht. Und du auch, Silke. Aber ihr müsst noch ein wenig Geduld haben«, sagt Dodo.
Na toll. Wo Geduld doch unsere große Stärke ist. Was hat Dodo bloß vor? Und warum muss sie dafür Monique und ihre Getreuen einladen? Wir bohren noch ein bisschen weiter, aber aus Dodo ist nichts herauszubekommen. Sie schenkt uns nur still lächelnd Bowle nach.
Zwei Gläser später versuchen Brigitte und ich herauszufinden, wie man den Bestellzettel richtig ausfüllt. Wollte ich die Gefrierseligen (Oder heißen die Eisheiligen?) nun in 800 ml, 1,5 oder 1,8 Liter? Muss ich dann 2a oder 5c ankreuzen? Gibt es Sonderfarben, zum Beispiel diese verwaschenen Pastellfarben, die ich noch aus meiner Kindheit kenne? Oder muss ich das jetzt alles in diesem schrecklichen Lila nehmen? Weshalb schließen runde Deckel besser als eckige? Und warum, zum Teufel, bestelle ich wieder so verdammt viel? Es ist schon seltsam, wie mich bei diesen Tupperpartys immer der Gruppensog packt und in einen Konsumstrudel reißt. Ich brauche all diese Döschen und Boxen gar nicht, trotzdem kommt es mir jedes Mal so vor, als könnte ich nicht ohne sie weiterleben. Und den anderen geht es anscheinend genau so. Claudia bekommt daher von ihrem Mann jeweils ein Budget zugeteilt, und wenn sie die Höchstsumme überschreitet, muss sie sich bizarre Lügen ausdenken, exorbitante Brotpreiserhöhungen erfinden oder eine dringende Autoreparatur vortäuschen. Das Ganze beschäftigt mich so sehr, dass ich für einen Moment fast vergesse, dass ich bis Montag noch täglich mit Geld zu tun hatte und bald über kein Einkommen mehr verfüge. Vielleicht werde ich zum Sozialfall! Aber dann habe ich immer noch meine Tupperschüsseln und kann mein Essen anständig aufbewahren. Ich kann preiswert einkaufen, große Mengen kochen und einfrieren. Ich werde ein Musterbeispiel an Sparsamkeit. Ich werde praktisch gar kein Geld mehr ausgegeben.
Monique kommt auf mich zu. Was will die? Ich leere mein Bowleglas, verschlucke mich an einer stark alkoholgetränkten Erdbeere und bekomme einen Hustenanfall. Brigitte klopft mir heftig auf den Rücken, das hilft, ein Erdbeerstückchen löst sich –und landet auf Moniques T-Shirt mit der goldglitzernden Aufschrift Zicke, genau auf dem Z. Sie wischt meinen Auswurf mit einer angewiderten Handbewegung weg, zwingt sich aber einen Sekundenbruchteil später wieder ein Lächeln ins Gesicht. Dann prescht sie direkt auf ihr Ziel los.
»Silke, du hast da doch diese Wiese an der Autobahn.«
»Ja?« Ich tue ahnungslos.
»Die würde ich gerne pachten.«
»Kommt gar nicht in Frage!« Ups, das war jetzt vielleicht ein bisschen heftig – und wie mir die Blicke von den anderen Gästen mitteilen, wohl auch etwas laut. Aber ich will gar nicht wissen, warum sie die Wiese haben will. Ich mag mir keine haarsträubenden Lügengeschichten anhören, seien sie auch noch so gut ausgedacht.
Monique lächelt einfach weiter, wie Brigittes Playmobilmännchen. Sie dreht sich um und tänzelt ohne ein weiteres Wort mit ihrem Bestellzettel zurück zu ihren Freundinnen.
»Was war das denn?«, fragt Brigitte.
»Monique. Die kennst du doch.«
»Nee, ich meine: Warum fragt die so direkt? Das sieht ihr doch gar nicht ähnlich. Das sah eben überhaupt nicht nach einem hinterhältigem Plan aus.«
»Wahrscheinlich hat sie keinen Plan.«
»Ach, Silke, sei doch nicht so naiv. Natürlich hat die einen Plan. Das war bestimmt bloß ein kleiner Auftritt, um dich in Sicherheit zu wiegen. Sie hat ganz direkt gefragt, du hast nein gesagt, und jetzt sollst du denken, die Sache ist damit erledigt.«
»Ist sie auch. Sie fragt mich, ich sage nein, die Sache ist durch.«
»Niemals. Das ist eine Falle.« Brigitte ist noch immer misstrauisch.
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