Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
sagen, gesprungen ist, habe ich noch nie gehört. Wahrscheinlich ist ihnen einfach nichts passiert.
Ich werfe einen vorsichtigen Blick nach oben, als ich mich der Eingangstür nähere, nicht, dass da doch noch plötzlich ein Architekt auf mich niederfällt, werde aber von Mutti zurückgepfiffen.
»Silke! Du solltest mir doch helfen!«
»Dein Einkaufswagen ist ja schon voll mit dem Gestrüpp.«
»Das ist erstens kein Gestrüpp, sondern Nova Zembla , und zweitens musst du den jetzt schieben. Ich brauche einen zweiten Wagen.«
»Wozu das denn?«
»Zum Einkaufen! Glaubst du, ich bin nur wegen der Pflanzen da? Wo es doch beim Aldi so guten tiefgefrorenen Lachs gibt!«
Ich steuere den hochbeladenen Grünzeugswagen vorsichtig durch die Gänge, was recht kompliziert ist, da die Blätter die Sicht doch ziemlich einschränken. Mutti bleibt an einem weiteren Sonderangebots-Display stehen.
»Ach, sind das aber hübsche Schabracken! Und so günstig!« Sie nimmt zwei Packungen mit gelbgemusterten Vorhängen und wirft sie zu den zehn Packungen Tiefkühllachs in ihren Wagen.
»Wozu brauchst du denn Vorhänge? Habt ihr mal wieder ein neues Fenster eingebaut?«
Meine Eltern bauen ihr Haus permanent um. Immer, wenn ich sie besuche, muss ich raten, was wieder neu ist. Wenn ich Glück habe, kann ich noch einen Hauch Baustaub entdecken. Dann ist es leicht. Aber meistens verwischt Mutti alle Spuren. Letztes Jahr wäre ich fast nicht darauf gekommen, dass der Wintergarten neu ist. Der sah einfach so aus, als hätte er schon immer da gestanden.
»Nein, aber man weiß ja nie. Ich habe schon eine Idee, wo die gut hinpassen könnten ... Du wirst schon sehen.«
Den letzten Satz verstehe ich als Aufforderung, nicht weiter zu bohren. Ich frage also nicht nach. Schließlich habe ich selbst etwas zu verbergen.
»Schnell, Silke, komm mal hierher!« Mutti zieht mich hinter einen Stapel mit Olivenöl-Kartons, das beim Aldi bekanntlich besonders gut ist. Sie flüstert: »Guck mal unauffällig dort rüber, auf halb fünf. Dort ist Frau Marnke.«
Meine Mutter zeigt in die Richtung, denn mit ihrer Uhrzeitorientierungsangabe kann ich nicht sofort etwas anfangen, schließlich trage ich seit Jahren, wenn überhaupt, eine Digitaluhr. Ich sehe die Frau des Gärtners aus unserem Dorf, die gleich zwei Einkaufswagen, die noch üppiger mit Sträuchern beladen sind als unserer, den Gang entlang zur Kasse schiebt.
»Vielleicht will sie ihrem Garten auch etwas Parkcharakter verleihen«, vermute ich.
Mutti lacht angesichts meiner Naivität einmal kurz höhnisch auf, gerade leise genug, dass uns niemand bemerkt. »Das glaubst du ja wohl selber nicht! Deren Garten sieht doch aus, als hätte dort eine Horde wilder Stiere gezeltet. Sollst mal sehen, die Dinger verkauft sie teuer weiter. Mit mindestens hundert Prozent Aufschlag.«
Ich finde, da ist nichts dabei; mir ist es egal, woher der Gärtner im Ort seine Ware bezieht, ob aus holländischen Gewächshäusern oder vom Aldi. Direktimporte aus dem Regenwald würden mich vielleicht stutzig machen, aber so dröge, wie das Zeug aussieht, das dort im Laden herumsteht, ist dies nicht zu befürchten. Meine Mutter ist da anders: Sie will beim Aldi Schnäppchen machen und sich darüber freuen, und sie will beim Gärtner hochwertig gezogene Gärtner-Rhododendron kaufen. Und diese beiden Welten sollen bitte getrennt bleiben und sich höchstens unter ihrer Kontrolle in den Rabatten ihres Gartens mischen. Hintergangen werden möchte sie nicht.
Die vielen Büsche, die Mutti gekauft hat, passen kaum in ihr Auto (obwohl es sich ja um das beste Auto der Welt handelt, in das prinzipiell alles hinein passt, man könnte ganz Rom damit umsiedeln), aber Mutti ärgert sich schon, dass sie nicht noch mehr gekauft hat, denn jetzt gibt es keine mehr. Frau Marnke hat den gesamten Sonderpostenbestand mitgenommen.
»Naja, die wird sie nicht gut loswerden«, tröstet sich Mutti. »Ich bringe ja den meisten ihrer potentiellen Kunden schon welche mit.«
Abends schrubbe ich mir mühsam den Dreck unter den nur noch partiell bunten French-Manicure-Fingernägeln weg. Ich habe Mutti geholfen, Onkel Stubbe und Generaldirektor Kruse, oder wie die blättrigen Laubhaufen so heißen, einzupflanzen. Dabei kann ich das Gefühl von trocknender Erde auf der Haut nicht ausstehen. Ich fühle mich dabei so schmutzig, fast lebendig begraben. Gartenarbeit ist mir so verhasst wie Monique ein Ultrakurzhaarschnitt. Zwar fasziniert es mich, etwas wachsen
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