Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Brigitte, das Diplomatenkind, deren Familie seit Generationen bei politischen Verwicklungen beraten und geschlichtet hat – und hin und wieder überstürzt das Land verlassen musste, in dem sie gerade lebte. Brigitte, die mit Intrigen in etwas größerem Maßstab aufgewachsen ist. Die deshalb natürlich hinter jeder Anspielung gleich einen Putsch wittert. »Die Wiese solltest du auf jeden Fall behalten«, rät sie mir.
»Ich habe nichts anderes vor.« Selbst wenn Monique noch so intrigiert: Ihre Hüpfburg gegen Hüftgold wird sie dort nicht bauen. Eher bekomme ich in zehn Tagen eine Bikinifigur!
Die Bowle bei Dodo ist wieder prima, doch irgendwie werde ich mit dem Rest der Gesellschaft nicht so recht warm. Die Gespräche drehen sich darum, wer ein echtes Marmorbad hat und wer sich den Marmor nur hat aufmalen lassen. Ich wusste gar nicht, dass so etwas geht. Oder dass jemand auf so eine bescheuerte Idee kommen könnte. Der allerneuste Hit in Sachen Badezimmerdeko sind übrigens, so darf ich jetzt erfahren, Marmorkugeln. »Am besten original italienische«, wie Monique betont. Ich warte die ganze Zeit auf einen Hinweis von ihr, der statt ihrer Ansichten über kultivierte Raumgestaltung ihre Beziehung zu Heiner verrät. Aber: nichts.
Sobald man hier unter Frauen ist, scheint es, als würden Männer nicht existieren. Die im Alltagsleben so öffentlichkeitswirksam ausgeglichenen und freundlichen Ehefrauen reden in einer anderen Tonlage; ihre Stimmen verlieren jegliche säuselnde Sanftheit und werden durchdringend, laut bis schrill. Jede versucht, sich so gut wie möglich Gehör zu verschaffen. Es wird viel gelacht, laut, übersteuert. Es geht um Wohnambiente, darum, wie man es sich nett macht in seiner eigenen kleinen Eigentumswelt – und zwar netter als die Nachbarn, das ist vor allem Claudia sehr wichtig. Männer spielen keine Rolle, es sei denn sie sind irgendwie im Weg, verdienen nicht genug Geld, müssen mal wieder mit neuen Socken versorgt werden oder haben sich ein neues Auto gekauft. Aber wenn man ganz genau hinhört, merkt man, dass das Auto interessant ist, nicht der Mann. Männer haben ihre Feuerwehr, ihren Schützenverein und ihren Fußball, und damit sollen sie sich gefälligst auch beschäftigen, anstatt rumzunerven. So sehen die Damen das hier.
Und ich? Klar, im Moment bin ich auch ganz froh, wenn ich Heiner aus dem Weg gehen kann. Aber perspektivisch? Ich träume davon, mit einem Mann zu reden. Richtig gut zu reden, über alles. Nicht so wie in dem alten Gag aus Heiners Repertoire: »Hey, Puppe, zieh dich aus, ich will mit dir reden!« Außerdem träume ich noch von ganz anderen Dingen, aber darüber spreche ich natürlich nicht. Schon gar nicht mit diesen Frauen. Wir sind hier ja nicht bei Sex and the City .
Auf dem Weg nach Hause komme ich an der Telefonzelle vorbei, die mir bereits vorher aufgefallen ist. Das Deckchen und die Vase sind immer noch da, das gemütliche Ambiente wird nun allerdings auch noch durch Vorhänge abgerundet. Gelbgemusterte Schabracken. Sind das nicht die vom Aldi ? Die hat meine Mutter doch gekauft! Sollte sie etwa ...
Ihr Dekowahn scheint sich auszubreiten.
Heiner sitzt mit seinen Eltern unten im Wohnzimmer vor dem Fernseher. »Ist doch billiger, ein Gerät laufen zu lassen als zwei«, sagt seine Mutter immer. Dafür nimmt sie in Kauf, statt der neuen Rosamunde-Pilcher-Verfilmung mit Schießereien prall gefüllte Actionkracher gucken zu müssen. Auch wenn sie die Guten und die Bösen nie auseinanderhalten kann und auf ihre Zwischenfragen nur genervte Antworten bekommt. Hin und wieder empört sie sich, dass so viel Gewalt nicht nötig sei, man könne Konflikte doch auch anders lösen. Aber dann schläft sie meistens ein und träumt von einem romantischen Happy End oder einem noch ergiebigeren Waschmittel.
Ich schlüpfe unbemerkt an ihnen vorbei unters Dach. Als Heiner sich eine Stunde später neben mich ins Bett legt, stelle ich mich schlafend – und frage mich: Gehe nur ich ihm aus dem Weg, oder er auch mir? Früher, in grauer Vorzeit, als die Erde noch von Dinosauriern bevölkert wurde und die Autos noch Ente oder Käfer hießen, war das mal anders mit uns. Da haben wir uns abends im Bett immer noch unterhalten. Über nichts Weltbewegendes, nur darüber, wie der Tag so war, was wir gemacht haben, wer bei der Arbeit was gesagt hat und welche neuen Süßigkeiten ich beim Einkaufen entdeckt habe. Irgendwann hat das aufgehört. Wann war das? Vor zwei Jahren? Oder ist das
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