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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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schweren Seegang erwischt. So war es jedenfalls an dem Tag, als ich die Schuhe gekauft habe und dann gleich zu dem Rockkonzert tragen musste, zu dem Sandra mich mitgeschleppt hat. Ich fühlte mich etwas hilflos und hatte das Bedürfnis mich festzuklammern, aber es war gerade kein Fels in der Brandung in der Nähe. Sandra fiel aus, sie hat es nicht so gern, wenn man an ihr herumzerrt. Und die Typen, die herumliefen, sahen eher so aus, als würde ich an ihnen zerschellen. Damals war ich ja auch noch mit Heiner glücklich. Oder zumindest zufrieden. Ich weiß das gar nicht mehr so genau. Das war vor zwei Jahren. Seitdem habe ich die Schuhe nie wieder angezogen. Es gab einfach keine passende Gelegenheit.
    Doch das muss ich meiner Mutter jetzt ja nicht im Einzelnen darlegen, deshalb antworte ich nur mit: »Ja.«
    »Und du meinst wirklich, die sind das Richtige?«
    Wenn Mutti die Frage so stellt, schwingt die Antwort, die sie erwartet, immer schon mit. Sie will, dass man zugibt, dass man sich geirrt hat, dass man dringend ihren Rat braucht und noch dringender von ihr ein Paar Schuhe geliehen haben möchte, denn nur sie ist im Besitz der einzig wahren Fußbekleidung für diesen speziellen Anlass.
    Anlass ist das Stichwort: Meine Mutter ist ein Fan von Anlassmode. Sie hat Kleider, die für ein Sommerfest bei Bekannten im Garten ab 15.00 Uhr taugen, die man aber natürlich nicht anziehen kann, wenn man zu einem offiziellen Vormittagsempfang geht. Sie hat das passende Kostüm für eine standesamtliche Trauung, für den Fall, dass man Trauzeugin ist und es sich um die erste Ehe handelt. Sollte einer der Heiratenden vorher schon anderweitig vermählt gewesen sein, würde sie natürlich etwas anderes anziehen. Zu kompliziert? Ja, das ist es. Doch Mutti durchschaut es, dieses eng verflochtene Regelwerk der Anlassmode. Es macht ihr große Freude – und es ist jedes Mal ein Schock für sie, wenn ich mich entweder völlig darin verheddere oder es einfach komplett ignoriere. Ich könnte sie doch um Rat fragen. Mache ich aber nicht, sondern sage nur: »Ja, die passen perfekt zum Kleid.«
    »Wenn du meinst ... Hoffentlich hast du Recht.« Mutti bezweifelt natürlich, dass ich Recht habe, das hört man schon am leicht beleidigten Tonfall. Mit einem knappen »Bis später!« beendet sie das Telefonat. Immerhin hat sie mich nicht gefragt, was ich mit meinen Haaren mache. Mit denen kann man nämlich entgegen der Annahme meiner Mutter gar nichts machen. Sie scheinen Stylingprodukte, auch modernste Sprühkleber, in Minutenschnelle restlos zu verzehren. Vor ein paar Jahren habe ich mal probeweise zwei hübsche kleine Strass-Spangen in die mittellangen, mittelbraunen Fransen geklemmt. »Trägst du heute ein Geweih?«, kommentierte Heiner diesen Versuch. Seither habe ich mich von Kopfmodeschmuck ferngehalten.
    Ich ziehe die funkelnden, beinahe jungfräulichen Sandaletten mit dem spitzen Neun-Zentimeter-Absatz hinter etlichen Paaren ausgelatschter Turnschuhe hervor. Sie sind genau so wild und glamourös, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ich probiere sie an. Sie passen perfekt. Erstaunlich, an den Füßen habe ich in letzter Zeit anscheinend nicht zugenommen. Ich gehe ein paar Schritte –ohne zu fallen, zu stolpern, zu schwanken. Ich bin eine Königin!
    Testweise schreite ich die Treppe hinab, winke huldvoll meinem imaginären Volk, dass mich mit Jubelrufen empfängt – und begegne unten im Flur Heiners Mutter, die gerade Zinntellerchen abstaubt. Da hat sie gut zu tun, ich würde schätzungsweise ein Jahr brauchen, bis ich ihren ganzen Nippes gesäubert hätte. Sogar an den Wänden hängt hier »Was-zum-Hinstellen«.
    Sie schaut an mir hoch, bemerkt, dass sie den Kopf ein wenig mehr in den Nacken legen muss als sonst, um mein Gesicht zu erreichen, guckt dann sofort wieder nach unten, zu meinen Füßen, und mustert kritisch die Absatzhöhe und die goldenen Riemchen. Okay, die verunglückte French-Color-Trendlackierung lässt meine Zehennägel aussehen wie Smarties beim Strandurlaub, aber das ist nicht der Grund für den missbilligenden Ausdruck in ihrem Gesicht.
    »Ist bei dir der Luxus ausgebrochen?«, fragt sie, den Blick immer noch auf meine Prinzessinnenschühchen gerichtet.
    »Nö, kann man nicht gerade sagen«, antworte ich wahrheitsgemäß.
    »Vielleicht solltest du dein Geld lieber für das Haus sparen, als es für modischen Schnickschnack aus dem Fenster zu werfen«, gibt Ex-Schwiegermutter-in-spe zu Bedenken. Ihrer Meinung nach sollte

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