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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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rein, die sind nach drei Wochen noch immer 1-A!«, versichert sie, bleckt kurz die Zähne und schüttelt ihre dichte, blondierte Haflingermähne. Der pinkfarbene Lippenstift auf ihrem Zahn gibt ihrem Werben einen hübschen farbigen Akzent, deshalb weise ich sie nicht darauf hin. Stattdessen drücke ich an den Nupsies herum.
    »Wofür sind die?«
    »Das sind sozusagen die Augen«, erklärt Frau Pferdegebiss.
    Ich gucke sie verwirrt an. Ich habe noch nicht mal von der Bowle probiert und schon kommt sie mir komisch. »Augen?«
    »Ja, hihi, wir nennen das so. Damit kann man das Mikroklima im Prima Klima regulieren.« Mit geübten Handgriffen drückt sie an der Box herum und demonstriert mir die verschiedenen Blickmöglichkeiten. »So sind sie geöffnet, so geschlossen. Und sie können auch blinzeln.«
    Ich stelle mir vor, wie mich die giftgrüne Schachtel aus den Tiefen meines Kühlschrankes heraus verzweifelt anblinzelt, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass in ihrem Inneren vier Monate alte Möhren – noch immer knackig frisch – ihrer Erlösung harren. Gibt es Prima Klima auch in größer? So in ungefähr, sagen wir, Konfektionsgröße 42? Ich könnte mich prima hinein setzen, oder vielleicht legen, das ist auf Dauer wohl bequemer, und einfach abwarten, bis sich meine Probleme verflüchtigt haben und mein Lebensklima wieder meinen Vorstellungen entspräche. Dann würde ich wunderbar frisch und erholt der Box entsteigen und ... ja, was dann? Weiterleben wie bisher? Hier hakt der Plan. Muss ich noch mal überdenken.
    Die Tupperberaterin holt aus zwei großen Reisetaschen mit der Aufschrift dress for success – Ob ihr Job wohl das ist, was sie sich unter success vorstellt? Aber bei dem Thema halte ich wohl besser den Mund. – die neuesten Highlights des Sortiments: Backformen aus glibberigem roten Material, die garantiert nicht im Ofen schmelzen, obwohl sie sich anfühlen, als würden sie schon nach fünf Minuten in der Sonne zerlaufen wie Playmobilmännchen auf der heißen Herdplatte. Das hat Brigitte früher angeblich mal ausprobiert. »Die grinsen bis zum Schluss«, schwärmt sie heute noch von ihrer makabren Spielzeugfolter.
    Der absolute Tupper-Knüller ist eine Schale aus der Reihe Eleganzia. Natürlich auch aus unverwüstlichem Plastik, diesmal allerdings als Glas getarnt. Eine recht aufwändige Maskerade in verschiedenen Blautönen. Das Ergebnis ist nur beinahe gelungen: Die Schale sieht nicht wirklich gläsern aus, man hat aber das Gefühl, sie würde in spitze Scherben zerspringen, ließe man sie fallen. Die Tupperberaterin bietet an, das Gegenteil zu beweisen und die Bruchfestigkeit der Ware zu demonstrieren, aber Dodo gibt vor, Angst um ihre Terrakottafliesen zu haben. In Wirklichkeit schreckt sie wahrscheinlich die Vorstellung ab, dass alle ihre Gäste auf Knien herum kriechen und beim Zusammensuchen der Scherben lauter Dinge finden, die sie vor Ewigkeiten unter die Schränke und in dunkle Nischen gefegt hat. Wir spielen uns doch alle hier gegenseitig vor, wir wären die perfekte Hausfrau. Das heißt: Fast alle. Brigitte ist es egal, wie sie auf andere wirkt, und ich lade einfach keine Gäste ein. Aber die anderen: Ulrike, die immer nur zur Spargelzeit einlädt, weil das wahrscheinlich das Einzige ist, das sie kochen kann. Sabine, die für jede kleine Besorgung das Auto nimmt, aber niemals und unter gar keinen Umständen damit auf die Autobahn fahren würde. Claudia, die mit ihrem Mann eine Doppelhaushälfte bewohnt und sich einen erbitterten Kleinkrieg mit den Nachbarn in der anderen Haushälfte liefert. Jetzt überlegen sie sogar, ihren Teil des Hauses andersfarbig zu streichen, um sich zu distanzieren.
    Ich denke plötzlich an den Massivhauspark. Dort muss niemand heile Welt vorgaukeln oder sich Gedanken darüber machen, was die Nachbarn denken. Dort ist alles nur Fassade – und will auch gar nichts anderes sein. Wie beruhigend. Abends, wenn die Siedlung menschenleer zurückbleibt, ist es dort bestimmt wunderschön. Ganz friedlich.
    Als Dodo den Bruchtest der engagierten Tupper-Ponydame abgewendet hat, betritt Monique den Raum. Sie ignoriert Brigitte und mich, wirft Dodo ein gekünsteltes »Hallöchen!« zu und verteilt Küsschen an drei der anwesenden Gäste, Miss April, Mai und Juni, wie mir plötzlich auffällt. Das fragwürdige Fotoshooting wird nicht erwähnt, stattdessen reden sie über neue Bauchmuskelstraffungsübungen und über Claudias Nachbarin, die es gewagt hat, den Friseur in der

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