Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
ich ein Haushaltsbuch führen, in dem ich akribisch jede Ausgabe notiere. Ein Liter Milch: 89 Cent. Ein Pfund Butter: 99 Cent. Sechs Eier: keine Ahnung, was Eier kosten. Ein Paar Schuhe: 179 Euro – oder so ähnlich stellt sie sich das wohl vor. Und Heiner sollte dann abends das Buch kontrollieren, die Ausgaben mit mir besprechen und bei Gefallen abzeichnen.
»Die Schuhe sind schon älter«, sage ich zu meiner Verteidigung. Ein schwaches Argument, ich weiß. Aber das Thema scheint damit abgehakt zu sein.
»Du kannst mal eben mit mir eure Bettwäsche zusammenlegen.« Urgh! Hat Heiner ihr etwa schon wieder unser schmutziges Bettzeug zum Waschen gegeben? Er weiß genau, wie ich das hasse. Das ist erniedrigend. Okay, im Moment sind keinerlei peinliche Flecken drauf. Aber trotzdem! Als ob ich die nicht selber waschen könnte. Oder er. Naja, er kann es wahrscheinlich wirklich nicht. Muttersöhnchen. Und jetzt habe ich seine Mama auch noch am Hals. Dabei bin ich doch mit meiner eigenen schon vollauf beschäftigt.
Heiners Mutter drängt mich, den Staubwedel eifrig schwingend, als würde sie ein renitentes Philharmonieorchester dirigieren, in die Waschküche. Das Fünfziger-Jahre-Pendant zum Hauswirtschaftsraum der schlüsselfertigen Wohnträume. Dampfschwaden umwabern meine goldbeschuhten Füße, ein stechender Geruch knallt durch meine Nase direkt ins Hirn. Es riecht nach einem Gemisch aus sehr preiswertem Waschmittel, Domestos-Imitat, drei Wochen alten Kohlrouladen (mit jeder Menge Garn drumherum) und einem Hauch Pfirsich-Melba. Letzteres könnte der Weichspüler sein. Ich verspüre das dringende Verlangen, mich irgendwo festzuhalten, um nicht ohnmächtig zu werden. Wenn das Böse einen Ferienwohnsitz suchte, käme dieser Raum sicher in die engere Wahl.
Bevor ich nach einem der Heizungsrohre greifen kann, drückt mir Heiners Mutter zwei Zipfel Bettbezug in die Hand, zieht an der anderen Seite straff und befiehlt: »Recken!« Sie reißt so heftig am Stoff, dass ich fast vornüberkippe, und als ich mich zurücklehne, um gegenzuhalten, gibt sie plötzlich nach. Ein plastikbezogener Küchenstuhl aus den siebziger Jahren bremst meinen Fall. Er ist zwar hart, aber noch härter wären die grauen Steinfliesen gewesen.
Nach dem dritten Bezug haben wir uns in Rhythmus und Zugintensität ungefähr angeglichen und arbeiten recht harmonisch. Obwohl ich Sinn und Zweck dieser Tätigkeit nie wirklich begriffen habe – Wozu Bettbezüge glattrecken, man verknüddelt sie doch eh sofort, wenn man darin schläft? –genieße ich den meditativen Aspekt daran. Ich stehe sogar halbwegs sicher auf meinen Stöckelschuhen, fast würde ich meinen, ich hätte meine Mitte gefunden. Derart eingelullt – man könnte auch sagen: willenlos – lausche ich den Worten, die Heiners Mutter zu mir spricht: »Wir haben uns überlegt, liebe Silke, wo Heiner und du doch jetzt zusammen das Haus bauen wollt und es also ernster mit euch wird und wir ja auch bereit sind, euch zu unterstützen – das haben wir mit dem Grundstück ja schon gezeigt –, dass es da vielleicht ganz gut wäre, wenn die Verhältnisse geregelt würden.«
Wie meint sie das? Geregelte Verhältnisse? Ich habe nichts gegen geregelte Verhältnisse, im Gegenteil, ich war immer ein großer Fan davon, ich verlasse mich gerne auf etwas. Außerdem kann ich ja nichts dafür, dass meine Verhältnisse gerade so ungeregelt sind. Aber davon weiß sie doch wohl nichts, oder?
Ich nicke bloß und schicke ihr ein fragend-zustimmendes »Hmmm«, übers Laken. Der Pfirsich-Melba-Geruch wird von einem Birne-Helene-Duft überdeckt, den ich mir eventuell aber nur einbilde. Ich habe ewig keine Birne Helene mehr gegessen, so mit richtiger Dosenbirne und der teuren Fertigschokosoße. Darauf bekomme ich jetzt richtig Appetit.
»Wir meinen ...«
Wer sind eigentlich wir, möchte ich sie am liebsten fragen. Sie und ihr Mann? Die gesamte Heiner-Familie? Die Dorfgemeinschaft? Eine übergeordnete Sittenkontrollinstanz? Der Landfrauenverein? Letzteres scheint mir am wahrscheinlichsten. Aber ich muss aufpassen, damit ich genau mitbekomme, was sie mir sagen will. Und ich darf nicht immer an Birne Helene denken. Konzentration, bitte!
Zum Glück setzt sie noch mal neu an: »Wir meinen, dass es an der Zeit wäre, dass Heiner und du – dass ihr heiratet.«
Sie macht mir einen Antrag! Ihr Sohn geht fremd, und sie hält um meine Hand an. Ich bin ... gerührt.
»Wir haben schon einen Ehevertrag vorbereitet. Er liegt im
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