Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
hinter ihm auf dem staubigen Boden. »Du hast mich nur benutzt!«, heult er in Richtung Monique, die daraufhin ihre Zunge aus Heiners Mund nimmt, den Bürgermeister mustert und leicht angewidert die Nase rümpft. Die umstehenden Damen sind alle einen Schritt zurückgetreten, haben ihre Schneckengespräche eingestellt und beobachten interessiert die Szene. Obwohl die Band nichts von all dem mitbekommen haben kann, liefert sie den passenden Soundtrack: »Love is a battlefield.« Das scheint den Bürgermeister zu ermutigen, er schleudert sein Jackett zur Seite, versucht, seine ohnehin schon aufgekrempelten Hemdsärmel noch weiter aufzukrempeln und brüllt: »Lass die Finger von meinem Mädchen, du Dreckschwein!«
Heiner, der bislang völlig unbeteiligt getan hat, bemerkt, dass er gemeint ist, und setzt die Füße ein Stück auseinander, um besseren Halt zu haben. Dann stürmt der Bürgermeister auf ihn zu und rammt ihm seinen Kopf in den Bauch. Keine saubere Kampftechnik, finde ich. Monique stößt ein lautes, schrilles Kreischen aus, in das die Umstehenden einfallen. Nur meine Mutter, die inzwischen einen Platz neben mir ergattert hat, um einen besseren Blick auf das Geschehen zu haben, hält sich zurück.
Heiner und der Bürgermeister haben sich aufgerappelt und traktieren sich mit Faustschlägen. Eine zünftige Schlägerei, die immer wieder von den Efeuranken gebremst wird, in denen sich die Kontrahenten verheddern. Der Aufruht hat noch mehr Männer in die Sektbar gelockt, die sich nun eifrig an der Klopperei beteiligen.
»Ihr steht das Kleid besser als dir«, sagt meine Mutter. Mir schnürt sich die Kehle zu. Mutti muss ihr Taktgefühl mal wieder in der Speisekammer vergessen haben. Da hilft es auch nicht, dass die Band jetzt »I will survive!« spielt, denn nein, da bin ich mir ganz sicher, überleben werde ich nicht. Jedenfalls nicht hier. Ich muss weg. So schnell wie möglich. »Aber was zu weit geht, geht zu weit«, setzt Mutti nach. »Das kannst du dir nicht länger bieten lassen, Silke. Wollen wir eingreifen?«
Hmm, ich könnte mit meiner Mutter ein Kampfgespann bilden. Wir würden die ganze Schlägerei ordentlich aufmischen.
Nein, keine gute Idee.
»Ich will hier weg. Schnell und unauffällig. Ich ertrage das nicht länger«, stöhne ich.
»Du hast es gewusst? Du hast gewusst, dass dein Verlobter dich betrügt und hast nichts gesagt? Manchmal verstehe ich dich nicht, Kind«, sagt Mutti besorgt. »Aber wenn du hier raus willst – bitte. Ich muss da auf jeden Fall mal eingreifen!«
Sie wühlt sich zur Bar durch, greift sich einen Sektkühler, taucht ihn ins schon trübe Gläserabwaschwasser, leert noch schnell die Reste aus den Gläsern, die in Reichweite stehen, und marschiert so ausgerüstet auf Monique zu, die immer noch unter der Efeuranke in der Ecke steht und ziemlich geschmeichelt guckt. Bis meine Mutter vor ihr steht.
»Schickes Kleid. Aber du hast dir leider den falschen Mann dazu ausgesucht!«, faucht Mutti sie an – und leert mit einem Schwung den Sektkübel über Monique. Deren Frisur fällt so schnell in sich zusammen wie ihr Stolz, sie guckt einfach nur noch blöd und schnappt nach Luft.
Tolles Bild! Das hat Mutti wieder gut hingekriegt. Für mich wäre so ein Auftritt allerdings nichts gewesen, ich bin nicht so für offen ausgetragene Konflikte.
Der Eklat bedeutet aber auch: Schluss mit dem Heile-Welt-Spiel. Jedenfalls für mich. Alle wissen jetzt, dass Heiner etwas mit Monique hat, und alle wissen, dass ich es auch weiß. Und wahrscheinlich geht das Geläster bereits los. Klatsch und Tratsch im Dorf können mörderisch sein, und ich bin nicht gerne Zielscheibe. Also bleibt mir nur eine Möglichkeit: erst mal untertauchen. Einfach verschwinden.
Während hölzeme Klappstühle krachend zerbersten, Hinterköpfe dumpf auf den Boden knallen und Sektgläser klirrend zerschmettert werden – wir alle haben ja damals Bud Spencer und Terence Hill gesehen und wissen, wie so eine Klopperei auszusehen hat –, verlasse ich möglichst unauffällig die Sektbar. Rückwärts und auf Stöckelschuhen, manchen Frauen liegt so etwas ja, aber ich habe Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Ohne Vorwarnung fliegt mir mein Rock um die Ohren. Hinter mir steht ein Ventilator, ich könnte schwören, der war vorhin noch nicht da. Ich fange mein ungezogenes Kleid wieder ein und hoffe, dass der Anblick meines bloßen Unterleibes möglichst vielen Leuten erspart geblieben ist. Die sollen sich lieber
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