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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Vielleicht wirkt das auch nur so im Kontrast zum Rest der Band, der aussieht, als wäre jeder mit einem eigenen Zwanzigtonner vorgefahren. Mit Ausnahme des Qualitätssaxophonisten, der kam natürlich mit einem strahlenden Zug auf Rollschuhen. Ach nein, das war ja ein anderes Musical.
    »Natürlich singt die live!«, verteidige ich die Sängerin.
    »Niemals!« Meine Mutter ist über Nacht zur Musikexpertin geworden.
    »Jede Tanzband mit soviel Personal singt und spielt live. Das wäre auch viel zu aufwändig, hier ein vernünftiges Playback hinzukriegen«, behaupte ich einfach mal zur Ehrenrettung der Vokalistin, obwohl ich davon nun wirklich keine Ahnung habe.
    »Na gut, dann ist es vielleicht nicht Playback«, lenkt Mutti ein, um dann sofort wieder dagegen zu steuern: »Aber es kommt schon aus der Konserve.«
    Ich verkneife mir die Bemerkung: »Nicht vielleicht aus der Tiefkühltruhe wie dein Essen?« Soll sie es doch glauben. Es wäre ja lächerlich, sich darüber zu streiten. Da gibt es bestimmt lohnendere Themen.
    Die Band spielt inzwischen Sex Bomb. Cher hat Pause, wahrscheinlich muss sie sich um- oder weiter ausziehen. Einer der Trucker gibt den Tom Jones derartig inbrünstig und mit so viel lüsterner Leidenschaft in der Stimme, als wollte er es provozieren, mit Damenunterwäsche beworfen zu werden. Ich hätte da ja was Passendes in meiner Handtasche, aber ich kann mich gerade noch zurückhalten.
    Die Tanzfläche hat sich mit Frauen jenseits der Fünfzig in figurfernen Kleidern gefüllt, die enthemmt rocken, als gelte es, ihre Jugend wieder auferstehen zu lassen. Dass es diesen Song damals noch nicht gab, ist ihnen dabei völlig egal. Meine Mutter zieht meinen Vater auf die Tanzfläche, er beginnt einen geschmeidigen Disco-Fox und lässt sie hin- und herwirbeln. Beide wirken gelöst und glücklich, und das liegt bestimmt nicht nur an dem Caipi.
    Ich nippe an dem süßsauren Cocktailimitat und schaue mich um. Ich kenne fast alle um mich herum, wenigstens vom Sehen, aber ich habe keine Lust, mit jemandem zu sprechen. Wo ist denn Heiner bloß hin? Ich könnte ihm meine überwältigende Schönheit, die bislang noch niemand bemerkt hat, vorführen. Ob ich eine Anspielung auf mein fehlendes Höschen machen sollte? Früher hat er sich oft gewünscht, ich würde mal »nichts drunter« tragen, aber ich fand das lächerlich und bin nie darauf eingegangen. Lächerlich finde ich das noch immer, aber wo es doch schon mal so ist, könnte ich die Situation auch nutzen ... Oha, der Schnaps steigt mir zu Kopf! Ich komme auf seltsame Gedanken. Aber wenigstens spüre ich meine Füße nicht mehr.
    Ganz hinten in der Ecke sitzt Monique an einem Tisch und unterhält sich mit Kalle. Ich erkenne sie nur an ihrer Frisur – einer Kreuzung aus Marge Simpson, Dolly Parton und einem Tornado – die hoch über alles und jeden hinweg ragt. Kalle beichtet ihr bestimmt gerade, dass er bei mir auf Granit gebissen hat.
    Monique steht auf und kommt auf mich zu. O Schreck: Sie hat genau das gleiche Kleid an wie ich! Das einmalige Ibiza-Modell! Das darf ja wohl nicht wahr sein. Auch noch in der gleichen Farbe, nur mit anderen Schuhen. Sie trägt Stilettos aus in Regenbogenfarben changierendem Fake-Schlangenleder, die um einiges höher sind als meine Sandalen. Also mindestens fünfzehn Zentimeter. Ja, das kann man schaffen, wenn man unter dem Ballen mit Plateau arbeitet.
    Noch fünfzehn Meter. Sie schwankt schon ein bisschen. Noch zehn Meter. Sie hat sich wieder gefasst und sieht siegesgewiss aus.
    Noch fünf Meter. Jetzt fällt ihr auch auf, dass wir nahezu identisch angezogen sind. Schockiert bleibt sie stehen. Mustert mich von oben bis unten. Ja, denke ich, zieh mich nur mit deinen Blicken aus, viel gibt es da nicht zu holen. Sie guckt pikiert. Fasst sich. Geht weiter. Bleibt direkt vor mir stehen. Und sagt in schnippischem Ton genau das, was ich mir schon gedacht habe – sie kann ja nicht wissen, dass sie bereits im Gebüsch belauscht wurde: »Tja, liebe Silke, der Ortsrat wird deine Wiese als Sportfläche ausweisen, das hat mir der Bürgermeister versprochen. Und dann wird dort ein Aerobic-Center gebaut, das ist nämlich zum Wohle des Dorfes und der Allgemeinheit. Dem wirst du wohl oder übel zustimmen müssen.« Und schon rauscht sie wieder davon, ohne eine Antwort abzuwarten. Was soll ich auch dazu sagen? Sie hat ja Recht. Verdammt! Außer Ruhm und Ehre und einer Mini-Pacht oder einem Verkaufserlös, der eher einer symbolischen Abfindung

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