Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
sagt Herr Wesseltöft. Er hat einen eindeutigen Informationsvorsprung. Ob das in anderen Bereichen unseres bisherigen gemeinsamen Lebens auch so ist? Doch zunächst muss ich dementieren.
»Ich habe mich für gar nichts beworben! Außerdem bin ich nackt. Ich will sofort hier weg! Wo sind meine Sachen?« Meine Stimme überschlägt sich beim Flüstern ein wenig.
»Dort, wo Sie sie ausgezogen haben: im Wellnesspavillon. Meine Klamotten sind übrigens auch noch dort«, flüstert Herr Wesseltöft zurück. »Hoffe ich jedenfalls.« Er hält sich den Kopf inzwischen mit beiden Händen.
Ach ja. Im Wellnesspavillon. Die Dampfsauna. Das heißt, Herr Wesseltöft ist auch nackt. Und wenn man nackt neben einem ebenfalls nackten Mann – der selbst mit Kopfschmerzen immer noch sehr attraktiv aussieht – in einem Bett aufwacht und sich an nichts erinnern kann, dann heißt das höchstwahrscheinlich nicht, dass nichts passiert ist. Vermutlich habe ich die heißeste Liebesnacht meines Lebens hinter mir und weiß gar nichts davon. Verdammt! Doch bevor ich Herrn Wesseltöft fragen kann, drängt er zum Aufbruch. »Los jetzt. Wir müssen irgendwie an unsere Sachen kommen!«
Ich wickele mich von Hals bis Fuß in die Bettdecke und will aufstehen, aber Herr Wesseltöft hält mich zurück: »Die Decke bleibt hier! Sonst bekommen wir bestimmt Ärger.«
»Den bekommen wir sowieso, wenn wir hier erwischt werden«, zische ich zurück und sprinte mit umgewickelter Decke so schnell es geht über die gläserne Brücke in den Wellnesspavillon. Da liegt zum Glück noch mein Klamottenhäufchen. Ich ziehe mich schneller an, als meine Mutter eine Bürste zücken kann, und verstecke mich mit dem ebenfalls blitzschnell bekleideten Herrn Wesseltöft im Handtuchschrank. Schade, jetzt habe ich mir seinen Alabasterkörper gar nicht näher und bei Tageslicht ansehen können.
»Ich brauche unbedingt meine Tüten! Die sind noch in einem Küchenschrank, glaube ich«, sage ich leise. Mein Mobiltelefon steckt zum Glück in meiner Hosentasche.
»Wir warten, bis die Gruppe hierher kommt«, sagt Herr Wesseltöft, der erstaunlicherweise schon wieder Herr der Lage zu sein scheint, was man von einem Mann, der verkatert in einem Handtuchschrank kauert, nicht erwarten sollte, »schließen uns der Führung an, sammeln unauffällig soviel wie möglich von unseren Sachen ein und verschwinden dann.«
»Das klingt ja sehr ausgefeilt. Und wenn man uns erkennt? Verfolgt? Wohin verschwinden wir denn?« Ich bin ganz aufgeregt: Auf der Flucht mit meinem neuen Geliebten, auf dem Weg in den Untergrund! Nur bitte nicht in einen von Herrn Kurz Kellern ...
»Mich wird man natürlich erkennen. Ich behaupte dann einfach, das wäre Teil einer Fortbildung. Und Sie erkennt doch sowieso niemand. Wir treffen uns in einer Stunde vor den Klinker- und Fliesenmustern im Showroom.«
Toller Plan. Aber was heißt hier, mich erkennt sowieso niemand? Frechheit! Als ob das alles für mich so einfach wäre.
»Okay. Wir müssen dringend miteinander reden!« Am liebsten würde ich damit gleich anfangen. Was war denn nun letzte Nacht?
»Ja, das müssen wir. Aber nicht jetzt und nicht hier«, zischt er. Komisch, sollte er nicht irgendwie zutraulicher sein? Zärtlicher? Verliebter? Aber das ist wahrscheinlich nur die Aufregung. Ich will mich schnell noch zu ihm drehen und ihm einen Kuss geben, da reißt jemand die Schranktür vor uns auf, und Herr Wesseltöft sagt ein wenig zu laut: »Ja, man kann hier ganz deutlich sehen, dass auch bei der Innenausstattung der Schränke eine echte Künstlerin am Werk war. Allein die Maserung der Rückwand – wunderbar!«
Zwei Frauen mit Betonfrisuren, die aussehen wie Gesellenstücke von Monique, treten verdutzt zurück, als wir den Schrank verlassen. »Ja, hier ist eben alles vom Feinsten«, sagt die eine Frau zur anderen.
Wenn die wüssten, denke ich und mache mich rasch auf den Weg zu meinen Tüten. Herr Wesseltöft verschwindet einfach, als hätte es ihn nie gegeben. Männer! Einer wie der andere. Flüchtiger als Lippenstift angesichts einer Portion Pommes Frites.
In einem unbeobachteten Moment zerre ich meine Klamottentüten aus dem Küchenunterschrank und schleiche über den Kiesweg davon, vorbei an neureichen Möchtegerndesignervillenbesitzern oder solchen, die nur vortäuschen, welche zu sein.
Im Showroom versuche ich, um mir die Zeit zu vertreiben, den Unterschied zwischen den Klinkertypen Lüneburg und Büsum herauszufinden. Ist es die Körnung? Die
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