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Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Abigail
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versöhnlicher.
    Als Cera zu ihm hochsah, blitz t e es schelmisch in ihren dunke l braunen Glasaugen. „Da hören Sie es, Valender. Wir sind Dum m köpfe, Sie und ich. Wir brauchen Musik, sonst wird das nichts.“
    Einen Moment war er baff. Dass eine Kleinigkeit, die vom G e wohnten abwich, seine Schwester verstören konnte, war nicht ung e wöhnlich. Verwirrend war Ceras Reaktion und ihr rasches Begreifen. Andererseits hatte sie auch nicht lange spekuliert, warum Melissa unleidig geworden war. Sie hatte sie schlicht und ergreifend gefragt.
    „ Beim nächsten Mal“, erwiderte er und merkte, dass es fast wie e i ne schüchterne Frage klang und kaum wie ein geschmiedeter Plan. „Ich besitze ein portables Grammofon . Aber heute ist es zu spät, um es zu holen. Du weißt, Melissa, dass wir pünktlich nach Hause mü s sen.“
    „ Paaa!“, rief Melissa in ärgerlichem Ton.
    „ Richtig, Pa schimpft, wenn ich dich zu spät zurückbringe. Wollen wir Cera ein weiteres Mal einladen, was meinst du?“
    Sein Herz schlug ein wenig schneller, als er auf ihre Antwort wart e te. Sein Blick streifte Cera, die immer noch neben seiner Schwester hockte. Beim Tanzen hatten sich ein paar Strähnen aus ihrer Hoc h steckfrisur gelöst, die Nadeln hingen wie gesprengte Fesseln in ihrem Haar, das aus Hunderten von Farben zu bestehen schien. In der Sonne schimmerte es in allen erdenklichen Brauntönen zw i schen Tee-mit-Milch und starkem Mokka, zwischen Walnuss und Hase l nuss, zwischen poliertem Holz und aufgewühlter Erde.
    „ Sehen wir uns nächste Woche wieder?“, fragte Cera.
    Seine Schwester gab keine Antwort. Doch verglichen mit allen a n deren Frauen, die Melissa grundsätzlich ablehnte, war das ein eno r mer Fortschritt.

Kapitel IV
     
    Valender hielt Wort. Schon am nächsten Vormittag besuchte er Cera im Keyman Theatre. Das Gebäude lag zwischen einem Restaurant und einer Kunstgalerie in einer der lautesten Gegenden Chelseas, das sich in der Nachkriegszeit stetig zum Vergnügungsviertel für j ede r mann gewandelt hatte. Das Theater, einst ein prunkvoller Bau im gotischen Stil mit rundum von Dämonenfratzen verzierten Säulen, die wie Wachhunde den Eingang flankierten, war in die Jahre g e kommen. Die Reliefs in den Außenwänden wiesen tiefe Risse auf, die Stufen zum Portal waren spröde und an den Kanten abgebröselt wie Parmesan, die gewölbten Stuckdecken schartig und den Ma r morboden des Foyers hatte man zwar sauber ausgefegt, trüb und glanzlos blieb er dennoch. Eine Puppe, die so völlig anders war als Cera, unecht und seelenlos, begrüßte Valender. Ihr Halsscharnier war schlecht geschmiert. Jedes Mal, wenn sie den proportional zum Körper zu kleinen Kopf demutsvoll neigte (und das tat sie ständig), gab ihr Genick ein heiseres Schaben von sich.
    „ Guten Tag“, sagte Valender und war sich zum ersten Mal in se i nem Leben unsicher, ob er gegenüber einer Puppe den Hut heben sollte. Er tat es und kam sich albern dabei vor. „Ich bin hier mit Miss Cera verabredet, würdest du ihr bitte Bescheid geben?“
    Wortlos nickte die Puppe, was ein widerwärtiges Knirschen veru r sachte. Es erinnerte an auf der Tafel abbrechende Kreide. Als sie durch einen staubigen Flügelvorhang in einem Hinterzimmer ve r schwand, wo im Halbdunkel ein Morseapparat zu erkennen war, wandte Valender sich den Tafeln zu, auf denen das Pr o gramm der näch s ten Wochen angeschlagen war. Die Vielfalt, die das Ensemble vo r führte, erstaunte ihn. Offenbar waren diese Puppen lernfähiger , als er gedacht hatte. Eine Gruppe aus menschlichen Tänzern konnte sicher nicht fünf verschiedene Ballette in einer Sa i son tanzen.
    Im Hinterzimmer begann d er Morse apparat, zu tackern. G e schwinde Puppenfinger verwandelten seine Anfrage in einen Binä r code aus Zeichen und Pausen, sodass er ihn nicht länger verstand.
    Valender fragte sich einen Moment, welche Folge aus Geklapper wohl den Namen Cera bedeutete. Als er sich des Gedankens bewusst wurde, konzentrierte er sich rasch auf eine Galerie aus einem Du t zend monochromen Fotografien, die die Tänzerinnen auf der Bühne zeigten. Wieder war es Cera, auf die sein Blick als E rstes fiel. Er b e trachtete nacheinander die anderen Tänzerinnen und stellte e r staunt fest, dass sie, obwohl sie doch von einer gewissen, schwer zu gre i fenden Ähnlichkeit waren, vollkommen unterschiedlich auss a hen. Beim besten Willen gelang es ihm nicht, herauszufinden, was an ihnen gleich war, und das verriet, dass sie –

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