Schlüsselherz (German Edition)
Schwäche: Sie reden entschieden zu viel. Ich habe meine Ohren dort, wo man sie nicht erwartet.“ Das galt nicht nur für ihre Ohren … wenn man ihre hochgeschnürte Oberweite betracht e te, konnte man durchaus dasselbe denken.
„ Leider hat Lyssie nicht verlauten lassen, ob Sie ein guter Tänzer sind.“
Er hob beiden Hände. „Da müssen Sie mich entschuldigen. Ich tanze nicht.“
„ Oh, aber gewiss tanzen Sie!“ Ungerührt hakte sie sich bei ihm u n ter und dirigierte ihn auf eine Serviermaschine zu. Diese Apparate verfügten über zwei bewegliche Greifarme und ein Kühlfach im Korpus. Darin befanden sich die Getränke, die in allen nur erdenkl i chen Farben angeboten wurden. Die langen Stiele der Gläser stec k ten in zerschlagenem Eis, das knirschte, als Mrs Macallistor zwei herauszog. Sie behielt ein weinrotes Getränk, das bei Kontakt mit der warmen Abendluft zu dampfen begann, und reichte Valender ein blaues, in dem Bläschen aufstiegen.
„ Blau entspannt“, antwortete sie auf die Frage, die Valender noch nicht gestellt hatte. Sie lächelte milde. „Blau ist die Farbe der Seele, und gewisse Kreise bezeichnen sie als das Blut der Erde und das Fundament alles Lebens. Aber lassen wir das. Sie verstehen vermu t lich nicht viel von Alchemie.“
Valender nahm trotz seines Misstrauens einen Schluck, ohne die Witwe aus den Augen zu lassen. „Das kann sich ändern. Erzählen Sie mir mehr.“ Es kostete ihn Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie eisig das Gebräu auf seiner Zunge brannte.
Sie kicherte kokett. „Ach, das interessiert Sie doch nicht.“
„ Sie lassen sich gern bitten, Madam, habe ich recht ?“ Valender nippte ein letztes Mal und beschloss dann, das Getränk bei sich bi e tender Gelegenheit unauffällig zu entsorgen. Der Geschmack, der sich auf der Zunge verteilte, sobald das eistaube Gefühl nachließ, erinnerte ihn an verbranntes Opium, mit dessen Rauch man ganze Säle voller Menschen beglücken konnte. Besser, er hielt sich zurück. Wenn er heute noch etwas erreichen wollte, brauchte er einen klaren Kopf.
Mrs Macallistor schlug die Lider nieder, lächelte und öffnete den Blick wieder. Winzige, an den Spitzen ihrer Wimpern haftende Bri l lanten glitzerten mit ihrem Zahnschmuck um die Wette. „Ich würde es mir nie verzeihen, Sie zu langweilen.“
„ Aber nicht doch. Wenn ich schon als Ihr blaues Wunder ang e kündigt wurde, dann verraten Sie mir bitte etwas mehr über diese Farbe und ihre Bedeutung. Sie sprachen die Alchemie an. Bewegen Sie sich in diesen Kreisen?“
„ So neugierig, junger Mann?“
„ Bitte, nennen Sie es zutiefst fasziniert, Madam.“
Sie lachte ein dunkles, aber wenig warmes Lachen, was in Valender erneut den Wunsch weckte, Abstand zwischen sich und diese Frau zu bringen.
„ Man könnte meinen, Sie würden mit mir flirten, Mr Beazeley. In Momenten wie diesen muss ich fast bedauern, den Männern entsagt zu haben.“ Sie führte ihn die Treppen zum Theater empor, weg von den anderen Gästen. „Aber um auf Ihre Fragen zur Farbe Blau z u rückzukommen: Die unterschiedlichen Gilden der Alchemie sind dafür bekannt, sich nie einig zu werden, doch in einer Sache ist di e ses Kunststück gelungen. Man ist dahintergekommen, wie sich Seele herstellen lässt.“
Valender gab sich unbeeindruckt. „Ist es denn nicht so, dass die Araber diese Kunst schon seit Jahrzehnten beherrschen? Wenn mich nicht alles täuscht, sind doch die Keymans im Besitz von Puppen, die nach dieser Technik …“, es widerstrebte ihm, von Herstellung zu sprechen, „geschaffen wurden.“
Mrs Macallistor knuffte ihn in die Rippen. „Sie Fuchs! Sie sind be s tens informiert und geben vor, keine Ahnung zu haben.“
„ Ich kenne nur ein paar Gerüchte“, wiegelte er ab.
„ Sie haben recht, die Araber und selbst die Westafrikaner sind uns in diesen Fragen voraus. Aber sie teilen ihr Wissen nicht, in aller R e gel verkaufen sie ihre Waren nicht einmal an Ungläubige. Aber nun ist es endlich auch unseren Alchimisten gelungen, das Rätsel zu en t schlüsseln.“
„ Und das wäre?“
„ Die Farbe Blau“, antwortete die Witwe und schnippte mit einem Finger gegen Valenders Glas, sodass es hell klirrte. „Es braucht ein Quäntchen Seele, genügend Zeit sowie ausreichend reines, blaues Licht, denn nur in diesem kann sich Seele ungehindert verteilen und auf eine Menge heranwachsen, die ausreicht, um ein Geschöpf damit zu füllen. Kommen Sie, gehen wir hinein, ich zeige es
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