Schlüsselherz (German Edition)
annahm, um sich heraushelfen zu lassen. In der Ferne grollte verhaltener Donner und auf das Dach der Hütte trommelten die ersten Regentropfen wie klopfende Finger.
Valender trat in den schwachen Lichtkegel der Lampe. Er hatte e i ne Panik in den Augen stehen, als hätte er das grausige Innere des Sarges bereits gesehen. Vielleicht hatte er das auch – in seinem Inn e ren. Körperliche Arbeit konnte dazu führen, dass der Geist wilde Spiele mit einem spielte.
Erneut donnerte es. Und plötzlich kam Nathaniel die Erkenntnis, was Valenders große Befürchtung war. „Du glaubst, Cera wäre tot und da drin?“ Die Vorstellung war … unvorstellbar. Zu brutal, zu schrecklich. Das ging gar nicht.
Valender schüttelte zwar entschieden den Kopf, als wollte er es nicht glauben, sagte aber: „Sie ist doch verschwunden, oder etwa nicht?“
„ Blödsinn. Der alte Keyman übertreibt es mit seiner Fürsorge, das ist alles.“ Nathaniel fühlte sich längst nicht so sicher, wie er sich gab. Aber da alles Spekulieren zu nichts führte, machte er einen Satz in die Grube hinein. Der Sargdeckel knarzte, als er darauf landete. Er war rutschig von der feuchten Erde. In Nathaniels Hirn regte sich sein Drittes Auge, als wolle es sich gewaltsam öffnen. Die Vorste l lung all der Neces – es mussten Millionen und Abermillionen sein – trieb ihm eisige Kälte in die Brust. Irgendwo in der Nähe klapperten Fensterläden, und Nathaniel hätte sich lieber mit einem Blick aus der Tür vergewissert, dass es nicht der Pfarrer war, der etwas gehört ha t te. Bestimmt schloss nur jemand die Läden, weil das Gewitter sich näherte und der Regen stärker wurde. Nun gab es kein Zurück und kein Aufschieben mehr. Nathaniel drückte die Klemmen nieder, die den Sargdeckel an seinem Platz hielten. Nur nicht an die Neces de n ken – nur nicht … Er glaubte zu spüren, wie sie unsichtbar sein G e sicht berührten, an seinem Nacken leckten, sich um seinen Hals schmiegten. Dann hob er den Deckel seitlich an. Und e r starrte.
Kapitel XIX
„ Großer Gott.“
Valender hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, doch nicht mit dem, was sich in dem Sarg befand. Er starrte fassungslos in die Kiste, dann in Nathaniels verwirrtes Grinsen und schließlich wieder zurück.
„ Erklär mir das mal“, murmelte Nathaniel und bückte sich.
Valender biss die Zähne zusammen. In seiner Fantasie passierte etwas Grauenhaftes, sobald Nathaniel die Dinge berührte, die in dem Sarg lagen. Er sah giftige Schlangen und monströs große Spinnen dazwischen hervorschnellen. Irgendetwas musste diesen Schatz doch bewachen. Denn es war kein Leichnam, den man hier versteckt ha t te. Es war eine mannsgroße Kiste voller Kostbarkeiten. Goldene Kreuze lagen darin, Kerzenständer, glänzende, mit Juwelen besetzte Statuetten, eine vermutlich massiv goldene Weihwasserschale, ein kunstvoll verziertes Weihrauchschiffchen, ein Turibulum, Jesusfig u ren aus Marmor, Jade und Bronze und zuletzt, am Boden des Sargs, jede Menge Bibelausgaben, die an Alter und Wert kaum einzuschä t zen waren.
„ Was zum Teufel …“, murmelte Nathaniel, doch Valender hatte bereits seine Schlüsse gezogen.
„ Der nicht mehr so ehrwürdige Priester scheint ein kleiner Kle p tomane zu sein.“ Er lachte, es klang erleichtert, verging ihm aber sofort wieder. „Oder diese Sachen wurden aus einem bestimmten Grund gestohlen. Möglicherweise finanziert er jemanden damit.“
„ Jemanden, der seine Mission gegen die Magischen unterstützt?“, fragte Nathaniel. Er senkte den Deckel wieder auf den Sarg hinab und hielt Valender eine von Erde verkrustete Hand hin, um sich aus der Grube ziehen zu lassen.
„ Das wäre doch möglich, das wäre … Still mal!“
Valender lauschte konzentriert und Nathaniel tat es ihm nach. Er hörte den Regen und den Wind in den Baumkronen. Und … Schri t te. Matschig klingende, sich nähernde Schritte.
„ Verdammt“, formten seine Lippen lautlos. Valender drehte die Lampe ab und beeilte sich, ihm aus der Grube zu helfen. Sie hatten keine Zeit mehr, sie wieder zuzuschütten. Wenn sie nicht erwischt werden wollten – und das wollte keiner von ihnen, schließlich b e stand neben all den verschwörungsreichen Theorien immer noch die theoretische Möglichkeit, dass der ganze Plunder Fothergill tatsäc h lich gehörte, mussten sie Fersengeld geben. Dicht nebeneinander stellten sie sich vor die Tür. Die Schritte kamen näher. Valender zählte an den Fingern ab.
Eins. Die
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