Schlüsselspiele für drei Paare
paar armselige Kristallperlen hingen von der Decke. Das andere Kristall bedeckte wie glitzerndes Eis den Parkettboden.
»Hier hat ein Irrer gehaust«, sagte Ratzel kopfschüttelnd. »Er hat nichts getan als alles zerschlagen.«
Singert ging durch alle Räume. Sogar die oberen Zimmer, die zahlreichen kleinen Schlafkammern, in denen vor einigen Wochen noch liebesselige Prominente Staatsgeheimnisse in die Kopfkissen und über die nackte, glänzende Haut der Mädchen geflüstert hatten, untersuchte er genau. Lange hielt er sich in der Bibliothek auf. Aber er entdeckte nicht das schwenkbare Bücherregal, hinter dem man in den unbekannten Keller kommen konnte. Nur etwas fiel ihm auf: In allen Räumen lag jetzt Staub, über die Tische legte sich ein schwacher, grauer Belag – nur der Schreibtisch in der Bibliothek war sauber! Die blanke Platte war geputzt.
»Hier waren zwei Personen«, sagte Singert. Er mußte noch am Stock gehen, denn die elastische Binde gab seinem verstauchten Knöchel noch nicht genügend Halt. »Einer machte die Möbel zu Kleinholz, und einer hat hier in aller Ruhe gearbeitet. Haben Sie nicht gesehen, daß im Garten zwei Spuren waren?«
»Ja, Herr Kommissar.« Ratzel blickte auf seine Notizen. »Ich habe geglaubt, daß es einer der Polizisten war, denn die Spur kam nicht wieder vom Tor zurück.«
»Seit wann können Polizisten fliegen? Selbst in München ist man noch nicht so weit. Wenn es keine Spur zurück gibt, dann ist nur ein Schluß logisch.«
»Sie meinen, Herr Kommissar?« Ratzel riß die Augen auf.
»Ich meine, daß wir uns den Schuppen genau ansehen.«
Aber auch der Schuppen war eine Enttäuschung. Zwar leuchteten drei starke Handscheinwerfer jeden Winkel aus, aber was Singert gehofft hatte, war nicht: Es lag keine Leiche unter dem Gerümpel oder im verfaulenden Stroh. Es gab auch keine Anzeichen eines Kampfes. Es leuchtete kein Blutfleck auf. Es war nichts als ein feuchter, muffiger, bald zusammenfallender Schuppen.
»Er konnte anscheinend doch fliegen«, sagte Ratzel trocken.
»Lassen Sie die dummen Bemerkungen!« Singert war wütend. Spuren, die plötzlich aufhören, sind der Alptraum jedes Kriminalbeamten. So etwas hat es einfach nicht zu geben, weil es nicht logisch ist. Auch in der Kriminalistik gibt es keine Wunder. »Hier ist nur eine Überlegung richtig«, sagte Singert, als sie wieder draußen im Garten standen und auf die einzige Spur sahen, die vom Schuppen wieder wegführte zum Tor. »Der zweite Mann wurde vom ersten im Schuppen erwartet, überrascht und entweder betäubt oder getötet. Dann lud er sich den Mann auf den Rücken und kehrte zur Straße zurück. Ob er vorher oder nachher die Einrichtung zerschlagen hat, ist noch unklar. Auf jeden Fall: Hier ist ein Ding gedreht worden! Und ich habe so eine Ahnung, als wenn sich einer der Erpreßten hier gerächt hat. Ist das der Fall, können wir den Fall Ostra abschließen, denn dann gibt es ihn nicht mehr. Aber erst müssen wir den Toten haben.«
Bis zum Morgengrauen sicherten die Spezialbeamten alle Spuren im und um das Haus herum. Man fotografierte die Zerstörungen aus allen möglichen Winkeln und Perspektiven. Man goß die Fußabdrücke am Schuppen aus, man puderte den Rahmen des Türoberlichtes ein und fand nur verwischte Fingerabdrücke.
Noch einmal stöberte Singert in der alten Villa herum. In dem kleinen Fotolabor fand er bestätigt, was er längst ahnte: Hier hatte Ostra noch gearbeitet, als die Villa längst plombiert war. Die Entwicklungsschalen waren voll frischer Flüssigkeiten. Ein neuer Karton mit Vergrößerungspapier war angerissen, die Schutzhaube vom Vergrößerungsapparat war abgenommen.
»Das ist eine Schweinerei!« schrie Singert. Er ließ die Polizisten von Isar 19 kommen, aber was nutzte alles Brüllen? Jeden Tag fuhren andere Wagen Streife.
»Da läßt man das Haus überwachen, und der Mann, den wir suchen, sitzt unter den Augen der Polizei ruhig hier in der Bibliothek und arbeitet und vergrößert säuische Bilder! Man sollte sich die Haare einzeln ausreißen!« Singert ließ sich in einen der geschnitzten Renaissancestühle fallen und hieb mit seinem Stock auf den Boden. »Hat denn keiner das Haus kontrolliert?«
»Nur von außen. Es war ja versiegelt.« Der Polizeioberwachtmeister von Isar 19 war beleidigt. Da wird man angepfiffen und kann nichts dafür. Plombiert ist plombiert. Auch für die Polizei.
»Aber hier war jemand drin, zum Teufel.«
»Das Oberlicht ist erst seit heute abend
Weitere Kostenlose Bücher