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Schlüsselspiele für drei Paare

Schlüsselspiele für drei Paare

Titel: Schlüsselspiele für drei Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Fallers hielt ihre Hände und kam sich elend vor, wie vor einer Hinrichtung. Genauso muß es sein, dachte er. Die letzten Minuten vor dem Tod, den man kommen sieht …
    Im Hintergrund summte ein Kocher. Instrumente klapperten. Ein leichter Äthergeruch breitete sich aus. Die alte Frau kam mit der Ätherflasche aus der Speisekammer. Unter den Arm hatte sie einen Ballen Zellstoff geklemmt.
    »Noch fünf Minuten, mein Kleines«, sagte sie. »Dann ist es soweit. Du mußt die Beine anwinkeln … ich leg dir eine Stütze unter … Und dann wirst du einschlafen … und wenn du aufwachst, ist alles vorbei, und die Sonne scheint doppelt so hell …«
    Julia umklammerte die Finger Fallers'. Ihr schmaler, nackter, fast noch kindlicher Körper zuckte.
    »Verlaß mich nicht«, flüsterte sie. »Bleib bei mir, Ernst; geh nicht weg, wenn ich die Besinnung verliere.«
    Die alte Frau nahm die Instrumente vom Herd und zog sich helle, gelbe, dünne Gummihandschuhe an.
    »Bleib bei mir«, flüsterte Julia. Ihre schönen blauen Augen waren vor Angst geweitet. »Bitte … bitte …«
    Ernst Fallers war bleich geworden und starrte auf die alte Frau, die jetzt mit einer Drahtmaske hantierte, über die sie einen Lappen Gaze spannte. Er spürte das Zittern Julias unter seinen Händen, die sie trösten sollten, aber selbst zuckten.
    Sie schraken beide auf, als die alte Frau mit einem kleinen Rolltisch an den Küchentisch kam. Die ungeölten Räder quietschten.
    »Haben Sie sich Hände und Arme gewaschen?« fragte sie.
    Fallers nickte mit bebenden Lippen. »Ja«, sagte er. Seine Kehle war wie ausgetrocknet. »Natürlich. Wie Sie es mir gesagt haben.«
    Sie sieht wie eine Metzgerin aus, dachte er. Die lange Gummischürze, das gestreifte Kleid darunter. Und plötzlich kam ihm zum Bewußtsein, daß es auch eine Art von Abschlachten war. Aus dem Leib Julias wurde etwas herausgetrennt. Ihr Blut würde gleich über die Wachstuchdecke fließen und die Zellstoffballen rot färben. Ihr weißer Leib würde in der Narkose zucken. Und die alte Frau würde vor ihr sitzen und mit blanken Instrumenten …
    »Nein!« sagte Fallers leise. Und dann lauter, immer lauter: »Nein! Nein! Nein!«
    Die alte Frau drückte das Kinn an und faltete die Hände in den Gummihandschuhen über der Schürze.
    »Soll ich nun oder nicht?« fragte sie.
    »Nein!« schrie Fallers. Er nahm ein großes Handtuch und warf es über Julias nackten Körper. Er sah ihre Angst in den Augen, aber auch die Freude, daß das Schreckliche nicht geschehen sollte. »Ich kann es nicht mitansehen.«
    »Dann gehen Sie hinaus, junger Mann.« Die alte Frau lächelte plötzlich böse. Das Mütterliche, das Gütige war aus ihr verschwunden. »Männer gehören überhaupt nicht hierhin. Das macht man unter Frauen allein aus. Ihr habt das Vergnügen gehabt, und nun müssen wir es durchstehen. Gehen Sie hinaus, ins Wohnzimmer!«
    »Bleib!« stammelte Julia und umklammerte Fallers' Hände. »Laß mich nicht allein!«
    »Ich habe es mir anders überlegt«, sagte Fallers dumpf. »Ich möchte warten.«
    »Später wird es immer schwerer und gefährlicher.« Die alte Frau setzte sich breit auf den Küchenstuhl und legte die rechte Hand auf die Ätherflasche. »Da sagt man immer, die Männer seien das stärkere Geschlecht. Blödsinn! Feiglinge sind sie alle! Kneifen, wo sie nur kneifen können! Wegrennen, hinausschieben, den Kopf in den Sand stecken! Meinen Sie, in zwei Monaten ist es besser? Da lebt das Kind schon.«
    Fallers schluckte. Er hatte das Gefühl, als sei sein Hals wie ausgetrocknet. »Ich … ich will es überhaupt nicht mehr«, sagte er mühsam. »Komm, Julia, steh auf … zieh dich an …«
    Julia blieb mit weiten Augen liegen. Die alte Frau schob die Unterlippe vor. »Auch gut«, sagte sie. »Aber das Geld bekommen Sie nicht wieder. Ich habe alles vorbereitet, habe mir die Zeit genommen, habe eine andere Kundin weggeschickt, weil Sie mir die Ohren vollgesungen haben – Das Geld ist kassiert, junger Mann!«
    Fallers sah hinunter auf Julia und fühlte sich schrecklich hilflos. Ihre Augen bettelten. Ich tue alles für dich, sagten sie. Alles. Nur laß mich nicht allein …
    »Steh auf«, sagte er tonlos. Er warf das Handtuch von ihr auf die Erde und zog sie an den Händen hoch. Sie saß nun, nackt, weiß und zitternd, im fahlen Zwielicht von winterlicher Morgensonne und strahlender Deckenlampe, und sie sah erbärmlich aus, kindlich und doch ganz Frau, ein Schlachtopfer, das allen Widerstand aufgegeben

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