Schlüsselspiele für drei Paare
Stuhl«, sagte sie. »Ich nehme an, Sie können mich im Stehen ausfragen.«
»Bitte.« Singert verzog die schmalen Lippen zu einem Lächeln. »Es sind nur wenige Fragen.«
»Ich habe auf alles, was zu fragen war, geantwortet.«
»Das ist eine Ermessensfrage. Fragen gibt es immer.«
»Man hat mich freigelassen, auch wenn ich mich jeden Tag hier melden muß. Daß ich mich ohne Einschränkung bewegen kann, sollte doch ein Beweis sein, daß man mir nichts vorwerfen kann.«
»Kuppelei!«
»Ich habe Gesellschaften gegeben, das ist alles. Ist es in Deutschland verboten, vergnügt zu sein?«
»Mit Tonbändern und Fotos, ja.«
»Die waren nur für den Eigengebrauch bestimmt.«
»Das haben Sie gut auswendig gelernt.«
Singert und Rita sahen sich eine Weile wortlos an. Er ist gefährlich, dachte Rita. Bruckmayer ist Wachs in den Händen Ostras, aber dieser Kommissar steht außerhalb aller Beeinflussungsmöglichkeiten. Er ist korrekt und klug. Wenn das bei einem deutschen Beamten zusammenkommt, nützen auch die Beine und der Busen einer Rita Camargo nichts mehr.
»Was wollen Sie von mir?« fragte Rita und senkte als erste den Blick. Das Augenduell war verloren.
»Nur ein paar Auskünfte.«
»Wenn ich es vermag –«
»Wo ist Ostra?«
»Ich kenne keinen Ostra.«
Er ist doch dumm, dachte sie. Wer so direkt fragt, ist dumm. Als ob er darauf eine Antwort erwarten könnte. Singert kräuselte die Lippen. Es war sein Trick, sich verkennen zu lassen. Bis jetzt hatte das immer gewirkt. Verbrecher sind eitel, eitler als Minister und Künstler. Und ihre Eitelkeit, die ihnen den überlegenen Geist vorgaukelt, löst ihnen die Zunge. Ein dummer Kommissar … man kann mit ihm Katze und Maus spielen. Es fragte sich nur, wer die Katze und wer die Maus in Wirklichkeit war.
»Sie waren an zwei Wochenenden bei dem Direktor Volbert?« fragte Singert leichthin. Rita nickte.
»Ja. Ich bin mit Frau Volbert befreundet.«
»Und sind so kurz in Deutschland.«
»Es gibt Menschen, die einem gleich, und Menschen, die einem nie sympathisch sind.«
»Eine große Weisheit.« Singert lächelte mokant. Seine völlig neutrale Frage nach Volbert, die Rita ahnungslos bestätigte, war ein unsichtbares Netz gewesen, das Singert ausgeworfen hatte. Er hätte diese Frage nicht nötig gehabt, denn Kriminalmeister Ratzel hatte eine präzise Meldung über die Gäste in Volberts Villa abgegeben. Aber eine Bestätigung ist immer gut; sie schließt alle Irrtümer aus.
»Danke«, sagte Singert freundlich. »Das war alles.« Er nickte dem verblüfften Obermeister Stämpel zu und verließ das Zimmer. Rita sah ihm entgeistert nach.
»Ist dieser Herr wirklich Kommissar?« fragte Rita nach einer ganzen Zeit, in der Stämpel das übliche Protokoll tippte.
»Natürlich. Und was für einer. Der beste, den wir haben. Dem ist noch kein Verbrecher ausgegangen, wenn er erst einmal eine Spur hat.« Stämpel sah Rita streng an. Die Formalitäten begannen. »Rita Camargo, wohnhaft in München-Bogenhausen …«
In einem Nebenraum stand Horst Singert am Fenster und sah hinaus in einen engen Hinterhof. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen. Seit er begonnen hatte, sich über die Maßnahmen und Vorschläge des Ministerialrats Bruckmayer zu wundern, hatte er eine Liste aller Beobachtungen aufgestellt, in denen Bruckmayer vorkam. Zweimal hatte Ratzel mit schiefem Mund seinen Bericht abgegeben. Wochenende bei Direktor Volbert. Als Gäste ein Druckereibesitzer Düppel mit Gattin, Rita Camargo – und Herbert Bruckmayer. Ein fremder Gast, der bei Volbert wohnte, hatte noch nie das Haus so verlassen, daß man ihn erkennen konnte. Entweder fuhr er im Wagen Volberts oder bestellte sich ein Taxi, das hinter der hohen Hecke auf dem Grundstück verschwand, oder Eva Volbert fuhr ihn mit ihrem schnellen Sportwagen in die Stadt. Dann saß er meistens mit hochgeschlagenem Kragen neben ihr. Zweimal hatte Ratzel mit seinem neutralen VW versucht, Eva Volbert zu folgen. »Die hat mich abgehängt wie einen lahmen Igel«, sagte er mißmutig zu seinem Vorgesetzten. »Solange ich nur einen Kleinwagen habe …«
»Die Polizei kann Ihnen keinen Ferrari geben«, sagte Singert und klopfte Ratzel auf die Schulter. »Es genügt, wenn es uns gelingt, das Gesicht des Mannes genau zu sehen.«
Hier war etwas, das Singert nicht mehr losließ. Ministerialrat Bruckmayer traf sich mit Rita Camargo bei Volbert, ein unbekannter Mann war immer dabei. Natürlich konnte das völlig harmlos sein; Volbert konnte
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