Schlüsselspiele für drei Paare
sein? Er liebt Sie, und ich soll es Ihnen ausdrücklich sagen.«
»Sie haben mit Ernst gesprochen?« Julia lehnte sich gegen die Wand. Ihre Knie wurden weich. Was sie in den vergangenen Stunden erlebt hatte, lastete noch zentnerschwer auf ihr.
Der Bürochef in der Papiergroßhandlung. »Fräulein Bentrob, unten wartet ein Kunde, der fünf Tonnen Druckpapier bestellt hat. Für die Druckerei Düppel. Er kann nicht gehen, hat sich den Fuß verstaucht. Gehen Sie runter und lassen Sie sich die Bestellung quittieren.«
Düppel, dachte sie. Sie zögerte. Aber Dienst ist Dienst. Wie soll sie sich entschuldigen?
Unten der Wagen, vor der Tür. Ein Mann hinter dem Steuer. Sonnenbrille, hochgeschlagener Mantelkragen. Sie macht die Tür auf, beugt sich hinein – da drückt ihr der Mann etwas widerlich Süßes gegen das Gesicht, sie atmet es ein, die Welt wird so leicht, die Welt wird zum Traum …
Und dann wacht sie auf. In einem Kellerraum. Eingerichtet wie ein Filmboudoir. Auf dem Tisch ein kaltes Büfett. Rotwein. Obst. Leise Radiomusik. Aber die Tür ist verschlossen, und ihr Schreien erstickt in den dicken Wänden …
Ostra nickte und nahm ein Stückchen Huhn in Aspik. »Vor einer halben Stunde noch«, beantwortete er Julias Frage. »Sie sollten auch essen. Ich habe Ernst gesagt, daß es Ihnen gut geht. Enttäuschen Sie mich nicht. Ich habe ihm mein Ehrenwort gegeben.«
»Was ist draußen für ein Tag?« fragte Julia leise.
»Ein sonniger Wintertag. Ungefähr halb zwölf mittags. Glauben Sie mir, ich habe lange überlegt, ob ich das tun soll, was ich jetzt getan habe.« Ostra putzte seine Finger an einer Damastserviette ab. »Es wäre sicherer gewesen, Sie und Ernst zu töten. Ich habe gelernt, daß Endgültigkeiten immer nützlich sind. Halbheiten bringen unbekannte Gefahren. Aber ich habe ein Herz für Sie, Julia. Auch Männer wie ich können fühlen. Die Nacht damals …«
Julia preßte die Hände gegen die Ohren und wandte sich ab. »Hören Sie auf!« schrie sie. »Ich hasse Sie! Ich hasse Sie!«
»Das weiß ich.« Ostra erhob sich, zog seinen Mantel an und ging zur Tür. »Drehen Sie nachher den Sender Stuttgart an. Opernkonzert. Aida von Verdi. Ich liebe diese Oper. Und wenn Sie durch die Tür dort hinter dem Schrank gehen, kommen Sie in ein WC. Das war hier früher eine Hausmeisterwohnung …«
Peter Ostra verbeugte sich höflich, sah Julia aus strahlenden Augen an, verließ das Kellergewölbe und schloß hinter sich ab. Sein Schritt verhallte irgendwo auf einer steinernen Treppe.
Herbert Bruckmayer saß am Bett Ritas. Er hatte einen großen Strauß weißen Treibhausflieders mitgebracht und dafür einen ehrlichen, herzlichen Kuß kassiert.
Es ist alles Blödsinn, was ich mache, dachte er schon bei der Hinfahrt zum Krankenhaus. Was ist sie schon, diese Rita Camargo? Eine billige, wenn auch wunderschöne Hure! Und obgleich er sich das immer wieder vorsagte, drängte es ihn, sie zu besuchen, nachdem er von Volbert erfahren hatte, was mit ihr geschehen war. Das Erlebnis mit Rita in dem abgedunkelten Hotelzimmer wirkte in Bruckmayer nach. Er konnte sich nicht von dem Gefühl lösen, das sie ihm gegeben hatte: ein Gefühl nie gekannter Seligkeit. Wann hatte ich jemals Zeit, wirklich zu lieben, hatte er sich gesagt. Immer waren es flüchtige Bekanntschaften. Auch Rita ist ein Wesen, das sich in kürzester Zeit zu einer bloßen Erinnerung verflüchtigen wird … aber in ihren Armen zu liegen war etwas anderes als alle bisher genossenen Zärtlichkeiten. Sie hatte ihn glücklich gemacht, nur einen Nachmittag lang, aber das war unvergeßlich. Es machte ihn hörig. Es ließ ihn hungrig werden nach ihren Lippen, nach dem Blütenduft, der aus den Poren ihrer braunen Haut strömte.
Nun saß er auf der Bettkante, sie sahen sich tief in die Augen, und was sie sprachen, war Alltagskram und gar nicht wichtig. Was in ihren Blicken lag, das Unausgesprochene, nur das erfüllte sie ganz.
Der Verband war am Morgen abgenommen worden, und das Gesicht hatte man gereinigt. Nun konnte man sehen, ob die Salzsäure Schäden hinterlassen hatte. Der Oberarzt hatte selbst einen runden Spiegel vor Ritas Gesicht gehalten und ihr zugenickt, als sie Angst hatte hineinzublicken.
»Nichts, gnädige Frau«, hatte der Oberarzt gesagt. »Aber auch nicht ein Fleckchen! Ihre Haut ist makellos wie vorher. Jetzt kann ich ehrlich sein: Ich hätte das nicht erwartet. Sie hatten ungeheures Glück. Von mir aus steht nichts im Wege, daß Sie morgen
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