Schluß mit cool (German Edition)
Fältchen und Runzeln einer Fünfzigjährigen ebenso attraktiv wie ihren flinken Witz und ihre Stimme voller Autorität und Erfahrung. Dann war sie fünfundvierzig und ich fünfunddreißig, und wir fühlten uns einander näher als je zuvor, bis wir gemeinsam unseren vierzigsten Geburtstag feierten und ich dachte, ich hätte den Himmel gefunden, wahrlich und wahrhaftig.
Jetzt aber, da läuft sie durch die Straßen wie ein streunendes Kind, fünfzehn Jahre alt, und man könnte meinen, sie wäre das erstemal fünfzehn: ihre Unterhose blitzt hervor, die Füße vollführen einen wilden, wirbelnden Tanz, und sie hat irgend etwas im Haar – Schokolade, die Schokolade, die sie Tag und Nacht ißt, kein Gedanke an die Pickel, die ihr in zornesroten Konstellationen überall im Gesicht und auf dem hübschen kleinen Kinn sprießen. Und gleich hab ich sie, ich sehe sie dicht vor mir, sie fährt mit den Händen durch die Aquarien mit Kampffischen, die der arme Leandro Mopa vor seinem Laden ausgestellt hat – und schlimmer noch, sie bringt Benedicta Morenos perfekt proportionierte Pyramide aus Mangos zum Einsturz.
Ich bin völlig außer Atem, meine pfeifenden Lungen scheinen aus Leder zu sein, und was denke ich mir dabei? Wenn wir nach Hause kommen – das denke ich –, wenn wir nach Hause kommen, werde ich ihr den Hintern versohlen.
Auf der vorderen Veranda rumste es plötzlich, ein ominöses Rumsen, schwer und hallend, das Geräusch dröhnte durch das leere Haus wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts. Erschrocken fuhr John hoch. Es klang, als wäre jemand auf den Dielen draußen tot zusammengebrochen – oder ermordet worden. Aber da war es wieder, nicht nur ein einzelner Schlag jetzt, sondern eine wahre Serie, als würde die Grundschule da unten ein Sackhüpfen veranstalten. Er blickte auf die Uhr auf dem Kaminsims – schon zehn nach halb acht, wo war nur die Zeit geblieben? –, dann legte er das Buch weg und erhob sich vom Sofa, um nach dem Rechten zu sehen.
Als er sich der Eingangstür näherte, wurde das Rumsen lauter und intensiver, so als trampelte sich jemand den Schnee von den Stiefeln – und das mußte es sein, natürlich. Es war Barb, der Wagen steckte irgendwo in einer Wächte, und sie war den weiten Weg gelaufen, er sah sie bereits vor sich, und sie würde wütend sein, natürlich wäre sie das, aber nicht allzusehr, weil so ein Schneesturm ja auch viel Zauber und Romantik barg, und dann würde sie sich am Feuer wärmen, einen Brandy mit ihm trinken und irgend etwas essen, das sich am offenen Feuer wärmen ließ – Hot dogs oder so was –, und dann, dann könnte er wieder zu seinem Buch zurück. Doch diese detaillierte Vision voller Tröstlichkeit und Rationalisierung, die das Geräusch der trampelnden Füße in ihm wachgerufen hatte, löste sich schlagartig in nichts auf. In dem Moment nämlich, als er die Hand zum Türknopf ausstreckte, hörte er draußen eine leise Männerstimme und das hohe, überfallsartige Kichern einer Frau, die eindeutig nicht Barb war.
Und dann ging die Tür auf, da war das geschliffene Messer des Windes, der undenkliche Geruch des Schnees, und die ganze Welt verwandelt und noch weiter in Verwandlung, und da war Buck, auf Heimatbesuch vom College, in einem verschneiten Skianorak und mit einer Begleiterin, einem Mädchen mit marmorierten blauen Augen und einer Strickmütze, die sie tief in die Stirn gezogen hatte. »Hallo, Dad«, keuchte Buck im Vorbeistreifen, und dann waren er und das heftig aufstampfende Mädchen im Flur, und der alte Hund wedelte mit dem Schweif und versuchte ein welpenhaftes Winseln zur Begrüßung.
»Meine Güte« – Buck brüllte es geradezu, seine Stimme war schrill vor Enthusiasmus, »hast du so was schon erlebt? Ich glaube, wir haben zwölf Stunden von Plattsburgh hier runter gebraucht, und das einzige, was überhaupt in Richtung Norden fuhr, war der Bus. Guter alter Greyhound, was?«
John konnte nicht klar denken. Er steckte immer noch in dem Buch, jedenfalls ein Teil von ihm. »Du bist doch nicht etwa rausgeflogen, oder?« fragte er und streckte die Arme nach vorn, wie um das Gleichgewicht zu halten.
Buck warf ihm einen Blick zu, die schmalen Augen hatte er von seiner Mutter geerbt, ebenso die Adlernase und die Wangen, die jetzt von der Kälte gerötet waren – oder vom Saufen, Alkohol, das war ja wohl das Wichtigste da oben in Plattsburgh. Soweit John gehört hatte jedenfalls. »Nein«, sagte Buck nach einer Weile, und ein verletzter,
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