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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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deshalb sprach ihn die Zahl auf dem Titel an. Buchtitel mit Zahlen darin hatten ihn schon immer anzogen – Hundert Jahre Einsamkeit, Zwei Jahre vorm Mast, 2001: Odyssee im Weltraum –, vielleicht war es wegen seines mathematischen Backgrounds. Genau. Bei Zahlen fühlte er sich sicher, bei der Ordnung, die sie in einer ungeordneten Welt boten – das war alles.
    Als er aus dem einschläfernden Zwielicht von Bucks Allerheiligstem zurückkehrte, hielt er das Buch in der Hand und war von einem nostalgischen Gefühl ergriffen – wegen des Buches und der ganzen Geschichte dabei, er blätterte zur Titelseite und las dort in fetten schwarzen Lettern den Titel, darunter das Motto (»Der Tod ist etwas, das ich nur einmal probieren möchte« – Oliver Niles). Er öffnete eine Dose mit Hühnchen-Mais-Suppe, erwog kurz, sie im Kamin zu wärmen, verwarf dann diese Idee und setzte sich aufs Sofa, wo er sie kalt auslöffelte und sich dabei das Buch vornahm. Es war still, übernatürlich still, kein brabbelnder Fernseher, keine summenden Haushaltsgeräte, die ihn ablenkten, und deshalb, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, fing er an zu lesen:
    Meine Mutter war mein Kind. Ich meine das nicht metaphorisch, sondern wortwörtlich, denn mein Universum ist etwas anders als das eure, jenes Universum von Verfall und Schwäche, in dem man jeden Tag schneller und schneller dem gähnenden Maul des Grabes entgegensinkt. Ich habe meine Mutter geliebt – erst zog sie mich auf und dann zog ich sie auf –, und meine Erinnerungen an sie sind unentwirrbar mit der Wiege verbunden, mit dem Kindergarten, mit den Bilderbüchern, Spielsachen und dem gellenden ekstatischen Gebrüll von jugendlichem Gelächter. Und mit Trauer. Unendlicher Trauer. Aber ich will hier nicht von meiner Mutter erzählen, sondern von meiner Geliebten und Ehefrau, von Sonia, der reifen Frau von Fünfzig mit der rauchigen Stimme und den erfahrenen Augen, von der seidenweichen Zwanzigjährigen, die am Ufer des Río Luminoso vor mir herhüpfte, als hätte sie eine zweite Kindheit geschenkt bekommen. Was auch der Fall war.
    Laßt mich das erklären. Wißt ihr, in unserer Einteilung der Dinge war der Schöpfer wesentlich großzügiger als bei euch. In Seiner Weisheit hat Er das Alter von fünfzig Jahren zum Gipfelpunkt des Daseins bestimmt, nicht eine geschwächte, zahnlose Existenz von neunzig oder noch demütigenderen fünfundneunzig oder gar hundert Jahren. (Und was ist wohl obszöner als der hinfällige Greis mit dem breiverschmierten Mund und Krümeln auf dem Kragen oder die glotzäugige alte Vettel, die auf der Straße suchend um sich blickt, als hätte sie einen lebenswichtigen Bestandteil von sich irgendwo verlegt?) Wir schreiten nicht unerbittlich im Lebensalter voran wie ihr, sondern wenn wir das magische Plateau erreicht haben, das goldene Alter der Fünfzig, dann fangen wir an, wie wir sagen, abwärts zu leben. Das bedeutet, man ist neunundvierzig in dem Jahr, bevor man fünfzig wird, und in dem Jahr danach ist man es auch wieder.
    Als Sonia zum zweitenmal neunundvierzig wurde, war ich gerade zum erstenmal einunddreißig. Sie war Tänzerin gewesen und Model und Fotografin und Bildhauerin, und sie freute sich darauf, abwärts zu leben und, wie ich annahm, es alles noch einmal zu tun. Sie hatte einige der großen hinablebenden Geister ihrer Zeit gekannt – sie waren jetzt Geschichte, alle von ihnen –, und ich bewunderte sie dafür und auch für ihre Leistungen, aber ich wollte eine Frau, die an meiner Seite stand, die mir Paella und Kalbskoteletts machte und die mir jeden Morgen ein knackfrisch gebügeltes Hemd reichte. Ich sprach das Thema eines Nachmittags bald nach unserer Verlobung an. Wir saßen an einem Tisch vor einem Café, tranken Aperitifs und naschten von einem Teller mit gegrillten Kalamari. »Sonia«, murmelte ich und griff über den Tisch, um meine Finger um ihre zu schlängeln, »ich wünsche mir eine Ehefrau, kein Karriereweib. Kannst du das für mich sein?«
    Ihre Augen schienen größer zu werden, bis sie fast das ganze Gesicht verschluckten. Ihre Wangenknochen waren die einer Statue, ihre Lippen zwei süße Wüstenfrüchte. »Oh, Faustito«, schnurrte sie, »armer kleiner Junge. Natürlich werde ich dir eine Ehefrau sein. Ich habe kein Interesse mehr an der Gesellschaft, wirklich nicht – von alledem habe ich mich jetzt zur Ruhe gesetzt.« Sie seufzte. Tupfte sich die Lippen mit einer schneeweißen Serviette ab und beugte sich vor, um

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