Schluß mit cool (German Edition)
Der Mann ging geduckt, um den Fernsehmonitoren auszuweichen, und kam langsam den Gang entlang, seine Blicke huschten nach rechts und links, um die Zahlen der Sitzreihen zu prüfen, einen Mantel über den Arm gelegt, ein Softcase für einen Computer über die andere Schulter gehängt. Er trug ein legeres Jackett und ein T-Shirt darunter, das Haar war modisch kurz geschnitten, und seine Miene schien völlig gesammelt, obwohl er ja sicherlich eine wahnwitzige Hetze quer durch den Flughafen hinter sich hatte. Doch was am wichtigsten war: er ging offenbar direkt auf sie zu, auf 18A, den Sitz, den sie in Beschlag genommen hatte. Und was ging ihr da durch den Kopf? Ein Fluch, sonst nichts. Nur ein Fluch.
Und natürlich, bei Reihe 18 blieb er stehen, warf der Satteltaschenfrau einen Blick zu, dann wandte er sich an Ellen und sagte: »Entschuldigen Sie, ich glaube, hier bin ich richtig?«
Ellen errötete. »Ich dachte...«
»Nein, nein«, sagte er und sah Ellen weiter in die Augen, während die Satteltaschenfrau sich aufrappelte und aus ihrem Sitz rollte wie ein Felsen, der eine Höhle freigab, »bleiben Sie nur sitzen, kein Problem. Wirklich nicht.«
In diesem Moment sagte der Pilot etwas durch, das Gebrabbel der üblichen Wörter, die Maschine ruckte unter ihnen mit einer plötzlichen Erschütterung und löste sich vom Flugsteig. Ellen legte den Kopf zurück und schloß die Augen.
Sie wachte auf, als der Getränkewagen vorbeikam. Sie hatte einen säuerlichen Geschmack im Mund, in ihrem Kopf pulsierte es, und die Armlehne bohrte sich ihr in die Rippen, als wäre sie lebendig. Sie hatte von Roy geträumt, dem Mann, der ihr Leben zerlegt hatte wie ein kleiner Junge, der einem Insekt die Beine ausreißt, von Roy und jener ausgefeilt demütigenden Szene im Lehrerzimmer, bei der irgendwie ihre Mutter als Zeugin dabei war, und dann lagen sie und Roy miteinander im Bett, die steife Beharrlichkeit seiner Erektion (die sich später als die Armlehne erwies) und seine Hand, die ihr über den Rippenbogen glitt, bis sie sich anfühlte wie Waldo, Waldo die Tarantel, die ihre Brüste umfing. »Etwas zu trinken?« fragte die Stewardeß mit dem breiten Gesicht, und ihre beiden Sitznachbarn schienen Ellens Antwort sehnlich zu erwarten. »Scotch mit Soda«, sagte sie, ohne weiter nachzudenken.
Der Mann neben ihr, der Neuankömmling, der ihr seinen Sitz überlassen hatte, arbeitete auf dem Notebook, der sanfte blaue Schein des Bildschirms beleuchtete seine Lippen und Augen. Er blickte zu der Stewardeß auf, seine Finger schwebten über der Tastatur, und murmelte: »Könnte ich bitte einen Chardonnay haben?« Dann war die Satteltaschenfrau an der Reihe. »Sprite«, verlangte sie, und ihre dumpf grummelnde Stimme wurde vom Dröhnen der Triebwerke verschluckt.
Der Mann drückte sich gegen die Rückenlehne, als die Stewardeß sich vorbeugte, um Ellen ihren Drink zu reichen, dann tippte er rasch noch etwas ein, schaltete das Notebook ab und schob es sich auf den Schoß, unter das Klapptablett. Er nahm von der Stewardeß die kurzhalsige Flasche, das Glas, eine Serviette und eine Tüte Erdnüsse entgegen, baute alles ordentlich vor sich auf und drehte sich lächelnd zu Ellen um. »Ich weiß nie, was ich in diesen Dingern mit meinen Ellenbogen anfangen soll«, sagte er und wich von der gemeinsamen Armlehne zurück. »Irgendwie ist das hier wie in einem Sarg – oder wie in einem dieser mittelalterlichen Folterinstrumente, wissen Sie, was ich meine?«
Ellen nahm einen Schluck von ihrem Drink und spürte den heißen Rauch des Alkohols hinten in der Kehle brennen. Er sah gut aus, war attraktiv – mehr als attraktiv. In diesem Augenblick, beim Dröhnen der Motoren, während sich unter ihnen die gesichtslose braune Erde erstreckte, war er hell und schön, strahlend wie ein Erzengel, der durchs Fenster hereingeflattert war, um neben ihr Platz zu nehmen. Nicht daß sie das störte. Roy sah auch ziemlich gut aus, aber sie hatte genug von gutaussehenden Typen, genug von Fünftkläßlern, genug von dem ganzen gescheiterten Experiment des Alleinlebens in der nebligen palmenverhangenen großen Stadt. Eine Seite umblättern, ein neues Kapitel aufschlagen. »Oder vielleicht wie in einem Faß«, hörte sie sich sagen, »wenn man die Niagarafälle hinuntersaust.«
»Ja«, sagte er und lachte durch die Nase, »nur bei dem Faß geben sie einem keine persönliche Schwimmweste mit.«
Ellen wußte nichts darauf zu sagen. Sie nahm einen weiteren Schluck aus ihrem
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