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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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der Pillen hinunter. Er hatte den Gefrierschrank geöffnet, um nach den Erbsen zu greifen, da ließ ihn ein Geräusch von oben den Atem anhalten. Es war ein verstohlenes Geräusch, das leise Reiben von Holz auf Holz – wie das Aufziehen einer Kommodenschublade, Eiche antik, die leicht klemmte. Er atmete erst wieder, als er das verhaltene Quietschen hörte, mit dem die Schublade wieder zuging, und wie ein Echo folgte das Geräusch der nächsten, die aufgezogen wurde.
    Edison hatte drei Schußwaffen im Haus, identische 9-mm-Pistolen aus rostfreiem Stahl, Smith & Wesson, von denen zwei noch nie abgefeuert worden waren, und er holte sich jetzt die, die er in einem kleinen Fach in der Speisekammer hinter ein paar alten Telefonbüchern aufbewahrte. Er hielt sie lange Zeit in der Hand und lauschte, dann vergewisserte er sich, daß sie geladen war, entsicherte sie mit einem Klicken und stieg die Treppe hinauf. Es war sehr still. Auf den Wänden über ihm prallten die Schatten ineinander, in der Luft lag ein dichter Schleier von Staubteilchen, und die Fliegen am oberen Fenster zogen träge Kreise. Er war in seinem eigenen Haus, zwischen vertrauten Gegenständen, und doch wirkte alles verzerrt und ungewohnt, schließlich war er diese Treppe noch nie mit einer Pistole in der Hand hinaufgegangen – dennoch fühlte er sich nicht nervös und angespannt, nicht sehr jedenfalls. Er fühlte sich wie ein Jäger in einem klimatisierten Urwald.
    Als er ins Schlafzimmer schlich – das große Schlafzimmer, in dem er während der letzten drei Wochen allein in dem breiten antiken Bett geschlafen hatte –, sah er dort einen Mann, der mit dem Rücken zur Tür stand und Arme und Schultern geschäftig bewegte. Edison ging der Ausdruck alle Schubladen durchwühlen durch den Kopf. Und dann war da noch ein anderer Ausdruck, tausendmal im Fernsehen gehört – den auch er in so vielen Episoden von Savage Street verwendet hatte, daß er sie nicht zählen konnte: Stehenbleiben! Und genau das sagte er jetzt, bellte es mehr, als daß er es sagte, und das Schimpfwort rutschte gleich mit heraus, um maximale Wirkung zu erzielen. »Stehenbleiben, Arschloch«, genau das sagte er. »Stehenbleiben, Arschloch!«
    Im gleichen Moment drehte sich Lyle, gewandet in denselben europäisch geschnittenen Anzug, den er am Abend zuvor getragen hatte, lässig herum, die Hände lose herabhängend. »Mann«, sagte er, und in seiner Stimme war der ganze Sonnenschein dieser Welt destilliert, keine Sorge, kein Problem, und ist das nicht typisch Kalifornien? »Ich bin nur mal vorbeigekommen, wollte Ihre Einladung annehmen, alles klar? Cooles Haus hier. Ich steh echt auf Ihre Antiquitäten – sind Sie der Sammler oder Ihre Frau?«
    Edison hielt eine Pistole in der Hand. Eine Waffe, aus der er erst einmal gefeuert hatte, auf dem Hallenschießstand, zwölf Dollar die Stunde, kein Ziel war groß genug gewesen, daß er es wirklich gut erwischt hatte – oder vielleicht war es doch nicht diese Pistole. Vielleicht war es auch die unter dem Waschbecken im Badezimmer oder die hinter dem Vorhang in der Eingangshalle. Die Pistole war kalt. Sie wog schwer. Er wußte nicht, was er damit anfangen sollte, da er sie nun mal in der Hand hatte wie ein Partygeschenk.
    »He, kommen Sie, Mann, stecken Sie bloß das Ding da weg, ja? Sie jagen mir noch Angst ein.« Lyle trug zweifarbige Lederschuhe und eine handbemalte Krawatte, sehr cool. Er strich sich das Haar aus der Stirn, mit einer Hand, die ihn verriet – einer Hand, die zitterte. »Ich meine, ich hab geklopft und so, aber es ist niemand an die Tür gegangen, klar? Also bin ich rein, um auf Sie zu warten, damit wir vielleicht ein paar Scheiben abhören können; sagt man das nicht so – ›paar Scheiben abhören‹?«
    In diesem Moment ging Edison auf, daß Lyle genau wie der Halbstarke am Strand war, nur erwachsen geworden: nichts als Hohn und Haß, nichts als Mache. »Sie sind der Kerl«, sagte Edison. »Sie sind der Kerl, stimmt’s?«
    Und da war es ja: die vorgeschobene Unterlippe, die tote blaue Leere seiner Augen. »Welcher Kerl? Ich weiß gar nicht, wovon Sie sprechen, Mann – ich meine, ich will Sie hier besuchen, auf Ihre Einladung hin, um, um...«
    »Der Juwelendieb. Der ›wählerische Einbrecher‹. Das sind Sie , oder?« Das Wissen durchfuhr ihn siedendheiß, ein Wissen wie die glühende Nadel, mit der seine Mutter ihn immer verarztet hatte, wenn er heulend mit einem eingezogenen Splitter im Finger heimgekommen war. »Zeig

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