Schluß mit cool (German Edition)
Knochen und langen, straffen Muskeln, wie Rennhunde oder so, und die Frauen waren von den Männern kaum zu unterscheiden, sehnig und ohne Titten. Bis auf Paula. Sie war in dieser Hinsicht von Natur aus gut bestückt – sie bezeichnete ihre Brüste als ihre Fettreserve. Er überlegte gerade, ob sie während eines Wettkampfs tatsächlich kleiner wurden, bei dem ganzen Streß und Wasserverlust, als eine Frau mit einer mächtigen Frisur und zuviel Make-up im Gesicht ihn um Feuer bat.
Sie stand bei den rund zweihundert anderen Zuschauern – eigentlich mußte man sie ja Sadisten nennen, fand er –, die darauf warteten, den Wahnsinnigen dabei zuzusehen, wie sie ihr Ding durchzogen. »Danke«, sagte sie rauh, nachdem er sich zu ihr gebeugt hatte, um mit der Spitze seiner Zigarette ihre zu berühren. Ihre Augen waren tiefe, feuchte Seen, und sie jedenfalls war kein Freak, keine Knochenfrau. Auch ihre Lippen waren feucht, oder vielleicht bildete er sich das nur ein. »Na«, sagte sie, leise und aus der Tiefe der Kehle, eine echte Raucherstimme, »hier für das große Spektakel?«
Er nickte nur.
Sie zogen schweigend an ihren Zigaretten. Ein Möwenpärchen flatterte geräuschvoll hinter ihnen durch die Luft und ging auf dem Sand nieder, um nach irgend etwas Eßbarem zu stöbern. »Ich heiße Sandra«, bot sie an, doch er hörte ihr eigentlich gar nicht zu, denn in diesem Augenblick kam ihm die Inspiration, sein Moment der Gnade und Errettung: plötzlich wußte er, wie er Paulas Vergebung gewinnen konnte. Er wandte den Blick von der Frau ab und sah über die Menge hinweg zu Paula, die über ihre Ausrüstung gebückt stand, auf dem Gesicht ein starrer, erbarmungsloser Ausdruck. Was wünscht sie sich mehr als alles andere? fragte er sich, und dabei war er so aufgeregt, daß er die Worte fast laut aussprach. Was würde ihr Glück bedeuten, Freude über seine Gesellschaft, Lust aufs Feiern, auf Partys, aufs Tanzen bis in den Morgen hinein, was würde sie die Geschichte von gestern vergessen machen?
Wenn sie siegte. Das war alles. Wenn sie Zinny Bauer schlug. Und in diesem Moment, gerade als Paula seinen Blick bemerkte und ihn anfunkelte, hatte er eine Vision von Zinny Bauer, der Frau mit dem Wunderskelett, wie sie in die Zielgerade einbog, Arme und Beine in wilder Bewegung, alles unter Kontrolle, kein Problem, und einem grellgrünen Becher voll Gatorade, entgegengestreckt von einem grinsenden Helfer mit offizieller Helferkappe und dazu passendem T-Shirt – ja genau! –, wie sich Zinny Bauer also erfrischte, den Becher in einem Zug beim Laufen leerte, weiterrannte und rannte, bis sie den Mann mit dem Hammer zu spüren bekam, den er gleich herbestellen würde.
Paula zog sich die rote Badekappe über die Ohren, schob ihre Schwimmbrille zurecht und ging lässig über den Strand, ihr Pulsschlag so langsam und bedächtig wie der einer Eidechse. Sie war gesammelt, klar im Kopf und so sicher wie noch nie zuvor im Leben. Nichts war jetzt von Bedeutung, außer diese Wichtigtuer und Großsprecher und Machotypen hinter sich im Staub zu lassen – und Zinny Bauer auch. In der Männergruppe nahmen ein paar Profis teil, und sie gab sich keinen Illusionen hin, gegen die eine Chance zu haben, aber allen übrigen würde sie eine harte Lektion erteilen, eine Lektion in Zähigkeit, Ausdauer und eisernem Willen. Was sie gestern mit Jason erlebt hatte, das konnte sie sogar für sich verwerten, es zählte zu den Dingen, die sie zornig machten und sie dazu brachten, sich zu fragen, was sie an ihm überhaupt je hatte finden können. Er nahm sie nicht wichtig. Er nahm niemanden wichtig. Das dachte sie gerade, als der Startschuß fiel und sie gemeinsam mit der großen planschenden Herde ins Wasser sprang, das Bild seines verschwiemelten Gesichts mit der reumütigen Miene brannte in ihrem Kopf – eine Vergewaltigung war das gewesen, keine Frage –, und als sie wieder aus der Brandung stieg, lag sie dicht hinter Zinny Bauer, Jill Eisen und Tommy Roe, einem der Männerprofis.
Na schön. Okay. Jetzt war sie auf dem Fahrrad, flitzte durch das Tor und raste über den flachen breiten Parcours des Cabrillo Boulevard, perfekter Rhythmus, keinerlei Anstrengung, als würde das Blut durch ihre Beine hindurch direkt in das Rad strömen. Noch bevor sie einen Kilometer zurückgelegt hatte, wußte sie genau, daß sie Zinny Bauer einholen und an ihr vorbeiziehen würde, um an der Spitze der Männergruppe mitzufahren und als erste für den Lauf zu starten. Es war
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