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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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ich das Mädchen umarmen könnte.
    Auf dem Heimweg im Auto war Philip so entspannt, daß ich mich schon fragte, ob er sich vielleicht selbst ein paar Pillen verschrieb. Er war der krasse Gegensatz zu dem Eiskübel, der mich am Flughafen abgeholt, mir beim Verspeisen des Koteletts, beim Vorlesen für seine Kinder und beim Zähneputzen im Gästebad zugesehen und mich dann in seiner Klinik den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hatte. »Tut mir leid wegen dieses Trubels heute morgen«, sagte er und sah mich in der schimmernden Kabine des Wagens an. »Ich hätte dich warnen sollen, aber man weiß nie im voraus, wann die so was abziehen.«
    »Also ist es manchmal nicht ganz so schlimm, willst du das damit sagen?«
    »Etwas besser jedenfalls«, sagte er. »Ein paar von denen stehen immer draußen, die echt verbissenen Spinner. Aber die gesamte Mannschaft der lebenden Toten, wie du’s heute gesehen hast, das haben wir nur etwa einmal pro Woche. Es sei denn, sie veranstalten eine ihrer Kampagnen, und ich hab keine Ahnung, was sie jeweils dazu veranlaßt – das Wetter, die Gezeiten im See, die Mondphasen –, aber dann kommen sie jedenfalls alle aus ihren Löchern, samt Straßentheater, Schulkindern, das volle Programm. Die werfen sich vor unsere Autos, ketten sich an die Eingangstür – der reinste Zoo.«
    »Aber was ist mit der Polizei? Kannst du nicht eine einstweilige Verfügung erwirken oder so was?«
    Er zuckte die Achseln, fummelte am Autoradio herum – Opern, er hörte gern Opern, irgend so ein dünnes Gejeier in der Nacht – und wandte sich dann wieder mir zu, die Hände in Handschuhen starr auf dem Lenkrad. »Die Polizei? Auch so ein Haufen von Abtreibungsgegnern, die haben gar nichts dagegen einzuwenden, daß diese Leute meine Patientinnen belästigen und sie in ihren Bürgerrechten beschränken – sogar Frauen, die nur zur gynäkologischen Untersuchung kommen, müssen diesen Spießrutenlauf absolvieren. Es ist saumäßig schlecht fürs Geschäft, glaub mir. Und gefährlich außerdem. Die jagen mir Angst ein, die echten Verrückten, denn die erschießen auch schon mal wen. Schon mal den Namen John Britton gehört? Oder David Gunn? George Tiller?«
    »Weiß nicht genau«, sagte ich. »Vielleicht. Du mußt wissen, ich war eine Zeitlang weg vom Fenster.«
    »Niedergeschossen, von solchen Typen, wie du sie heute gesehen hast. Zwei von ihnen sind tot.«
    Das hörte ich nicht gern. Der Gedanke, einer dieser durchgeknallten Spinner könnte meinen Bruder angreifen, könnte mich angreifen, war etwa so, als ob jemand Benzin auf glühende Kohlen schüttete. Ich war noch nie einer gewesen, der die andere Wange hinhält, und vom Märtyrertum hielt ich auch nichts, überhaupt nichts. Ich sah hinaus in ein Gewaber aus Bremslichtern und auf die Eiskrusten am Wegesrand, die die Straße vor uns zu einer Art Tunnel verengten. »Warum schießt ihr eigentlich nicht zuerst?«
    Die Stimme meines Bruders klang sehr hart. »Manchmal wünschte ich mir, ich könnte es tun.«
    Wir hielten beim Supermarkt, um ein paar Sachen einzukaufen, und dann waren wir zu Hause, der Duft vom Abendessen kitzelte meine Speicheldrüsen, im ganzen Haus roch es warm und lieblich danach, und Philip sah sich mit mir beim Scotch die Fernsehnachrichten an. Denise hatte uns an der Tür erwartet, als wir kamen – und inzwischen umarmten wir uns, kein Problem, Schwager und Schwägerin, eine große, glückliche Familie. Sie wollte wissen, wie mein Tag verlaufen wäre, aber ehe ich noch den Mund aufmachen konnte, antwortete sie für mich: »Keine große Herausforderung, was? Ziemlich langweilig, nicht? Bis auf die Spinner – die bringen immer ein bißchen Leben in die Bude, oder? Was Philip so alles durchmacht, stimmt’s, Philip? Philip?«
    Ich war total geschafft, aber der Scotch zog durch meine Adern, die beiden Jungs setzten sich mit ihren Comics und Malbüchern zu mir auf die Couch, und ich fühlte mich gut, fühlte mich wie ein Teil der Familie, alles klar. Denise servierte uns Rinderbrust mit ofengegrillten Kartoffeln, Karotten und Zwiebeln, frischen grünen Salat, und zum Dessert gab es Kokoscreme-Torte. Ich wollte eigentlich gleich ins Bett, aber dann kam ich am Kinderzimmer vorbei und übernahm den Pu der Bär -Job von meinem Bruder, einfach weil ich Lust dazu hatte. Später, das muß so gegen zehn gewesen sein, lag ich bequem auf meinem Bett – und hier mußte ich nochmals Denise auf die Schulter klopfen, denn das Zimmer war gemütlich und sehr privat,

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