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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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in der Traumzeit.
    »Deswegen«, sagte ich und machte eine Geste in Richtung der dunklen Fenster und der triefnassen Scheiben. »In L.A. sind jetzt mindestens zwanzig Grad, und wenn die Kids aufwachen, können sie gleich vor die Tür gehen und anfangen zu spielen.«
    »Nach der Schule«, korrigierte Josh.
    »Ja, ja«, sagte ich. »Egal. Aber das ist der Grund, warum die Jungs aus Kalifornien und Arizona in der Liga so gut dastehen.«
    »Die Detroit Tigers sind Nieten«, sagte Josh, und da blickte sein Bruder auf und steuerte sein Scherflein bei. »Echte Nieten«, sagte er.
    Ungefähr in diesem Moment wurde mir der Hintergrundlärm bewußt: ein leises Gejammer draußen vor den Fenstern, so als ob auf der Straße irgendwer junge Katzen ertränkte. Philip hörte es auch, ebenso wie die Jungs und Denise, und gleich darauf standen wir alle am Fenster. »Oh, Scheiße«, zischte Philip. »Nicht schon wieder. Nicht ausgerechnet heute!«
    »Was?« fragte ich. »Was ist los?« Und dann sah ich sie, während meine Neffen sich verkrümelten, Denise mit den Zähnen knirschte und mein Bruder fluchte. Die Zombies – sie standen vor dem Haus, am Rand des Rasens, mindestens hundert von ihnen. Sie sangen, hatten die Arme ineinandergehakt und wiegten sich im Rhythmus ihres Chorals, bildeten eine Menschenkette quer vor der Ausfahrt.
    Philips Gesicht war angespannt. Er bat Denise, die Polizei zu rufen, dann wandte er sich an mich. »Jetzt kriegst du was zu sehen, kleiner Bruder«, sagte er. »Bald wirst du verstehen, warum ich mich immer wieder frage, ob ich die Klinik nicht einfach schließen soll und die Verrückten das Irrenhaus übernehmen lasse.«
    In der Küche war es grau, ein schwaches, kraftloses Licht lag auf allen Flächen. Eisregen prasselte gegen die Fenster, und draußen blökten die vereinten Stimmen der Demonstranten zum Lob von Gnade und Vergebung. Ich wollte Philip gerade fragen, warum er nicht genau das tat – den Laden zumachen und in eine nettere Gegend ziehen, nach Kalifornien zum Beispiel –, aber ich kannte die Antwort bereits. Diese Typen konnten alle kreidebleichen Sallys dieser Welt belästigen und Bibelsprüche klopfen, solange sie wollten, aber mein Bruder würde nicht vor ihnen in die Knie gehen – und ich ebensowenig. Ich wußte, zu welchem Team ich gehörte, und ich wußte, was ich zu tun hatte.
    Die Polizei ließ sich eine halbe Stunde Zeit mit dem Kommen. Es waren drei Streifenwagen und ein Bus mit vergitterten Fenstern, und die Bullen zogen eine Routineaktion ab. Sie waren nicht zum erstenmal da – wie oft, ließ sich an ihren abgestumpften Blicken ablesen –, und sie hatten genau diese Leute schon öfter verhaftet, kannten sie mit Namen. Philip und ich warteten im Haus und guckten dabei Frühstücksfernsehen in unangenehmer Lautstärke, die Jungs waren in ihr Zimmer geschickt worden, auch wenn sie zu spät zur Schule kamen. Endlich, um Viertel nach acht, konnten Philip und ich zur Garage hinübergehen und in den Wagen steigen. Philips Gesicht sah aus wie eine zerknitterte Papiertüte, in die man Löcher für die Augen gestochen hat. Ich sah zu, wie er die Funkbedienung für das Garagentor drückte, das sich dann langsam hob und den Blick auf die Szene freigab.
    Da standen sie, quer über die Straße, die ganze glotzäugige Standardmannschaft von der Klinik, und neunzig weitere dazu. Ich sah untersetzte, mürrische Mütter mit Babys, mehrere Kinder, die eigentlich in die Schule gehörten, und ältere Leute, denen man mehr Verstand zugetraut hätte. Sie fuchtelten mit ihren Transparenten und stießen ein Gejohle aus, als das Garagentor sich hob, und obwohl die Bullen sie von der Ausfahrt abgedrängt hatten, schoben sie sich jetzt wieder nach vorn, um die Lücke erneut zu füllen, der große Jesusjünger mit dem Bart immer vorneweg. Die Bullen konnten sie nicht zurückhalten, und ehe wir noch die Hälfte der Zufahrt hinter uns gebracht hatten, überrannten sie uns, trommelten gegen die Fenster und warfen sich vor die Räder des Wagens. Wie ein Idiot, wie der heilige Narr, der automatisch die andere Wange hinhält, trat mein Bruder auf die Bremse.
    »Überfahr sie einfach«, rief ich, richtig außer Atem war ich. »Überfahr doch diese Wichser!«
    Philip blieb reglos sitzen und ließ frustriert den Kopf hängen. Die Bullen piddelten die Leute von uns herunter, einen nach dem anderen, streiften ihnen die Plastikhandschellen über und führten sie ab, aber für jeden, den sie so aus dem Weg räumten,

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