Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
Vom Netzwerk:
streifte. Die Muskeln seines Unterarms spannten sich, das ölige Tuch fiel auf den Teppich. »Verdammte Scheiße«, sagte er. »Dreimal verdammte Scheiße! Jetzt sag mir mal eins«, sagte er, »wärst du lieber der Mörder oder die Ermordete?«
    Sie schlief und träumte von der Gestalt eines Babys, das in seinem Fruchtwasser schwamm, die Nabelschnur pulsierend, die Augen fest geschlossen – es war ein großes Baby, ein riesenhaftes schimmerndes Baby, das frei schwebte, so wie der interstellare Embryo in 2001: Odyssee im Weltraum –, als eine abrupte Lärmexplosion sie aufschreckte. Sie brauchte einen Moment, ihr Herz raste, der Atem ging in hastigen Stößen, um zu verstehen, was sie da hörte – es war ein Schrei, der Schrei einer Frau, improvisiert und wild. Im Zimmer war es dunkel. Sean schlief neben ihr. Der Schrei – ein einzelner aufsteigender Ton, der in einer Art Seufzer oder Ächzen ausklang – schien von über ihr zu kommen, wo Jessica Irgendwie allein mit ihren Topfpflanzen und den beiden aufgedunsenen verwöhnten beutelgesichtigen Katzen wohnte, die sie nie aus der Wohnung ließ, weil sie Angst vor der Welt und ihren unermeßlichen Gefahren hatte. Melanie setzte sich auf und holte tief Atem.
    Nichts. Der Wecker auf dem Nachttisch flappte auf 1:59, dann auf 2:00 Uhr.
    Vorhin, nach einem Dessert aus Tapiokapudding mit Mandarinenscheiben frisch aus der Dose, hatte sie sich mit Sean einen historischen Schinken im Bildungsprogramm angesehen, der ihr ein völlig neues Bild des Begriffs »mittelmäßig« verschaffte (wie sie zu Sean bemerkte, war Mittelmäßigkeit gar nicht so einfach: man mußte daran arbeiten), und dann hatte sie sich mit ihrem Buch ins Bett verzogen, als der Sender zu einer Werbeeinschaltung überleitete und Sean regungslos auf der Couch sitzen blieb. Sie hatte keine zwei Absätze gelesen, da kam er auf Zehenspitzen ins Zimmer, nackt und sichtlich liebeslustig. Sie ließ das Licht an, um seinen Anblick zu genießen, dann fiel das Buch zu Boden, und alles war egal. Sie fühlte sich erfrischt, wie neu erschaffen. Sein Körper war so vertraut, aber die Dinge waren auf einmal ganz anders – nie war sie so erregt gewesen, wieder und wieder hob sie sich ihm entgegen und hielt ihn tief in sich, wo das Baby war. Danach, und zwar sofort danach, fast als hätte er Drogen genommen, schlief er ein, den Kopf auf ihrer Brust, und es blieb ihr überlassen, irgendwie den Arm auszustrecken und das Licht auszuschalten. Sie hatten kein Wort miteinander geredet.
    Jetzt aber – jetzt herrschte Chaos, und es brach ohne Vorwarnung herein. Es gab einen dumpfen Schlag über ihnen, eine kehlige Männerstimme, dann noch ein Schrei und noch einer, und schon sprang Melanie aus dem Bett, die Wände waren fahl und unscharf, der dunkle Schatten, der Sean war, raffte sich mechanisch auf. »Was?« sagte er. »Was ist los?«
    Schritte auf der Treppe. Noch mehr Schreie. Melanie schaltete das Licht an, und da stand Sean, nur in seiner Unterhose, sie sah die langen Muskeln seiner Beine, viel nackte Haut und die Pistole in seiner Hand, dieses häßlich schimmernde schwarze Ding, das er bei einer Waffenschau vor sechs Monaten gekauft und von dem ihr zu erzählen er nicht für nötig gehalten hatte. »Sean«, sagte sie, »Sean, tu’s nicht!«, aber er war schon zur Tür hinaus, rannte im schäbig-gelben Licht der Deckenlampe durch den Flur, stand jetzt an der Haustür, dazu die Schreie von oben, immer schriller. Melanie war im Nachthemd und barfuß, aber sie dachte an nichts anderes, als auch an diese Tür zu gelangen und dem Lärm ein Ende zu setzen, was immer das war.
    Vor dem Haus war eine Straßenlaterne, doch der Nebel breitete eine dämpfende Hand über sie, und auch das Licht der Fenster und aus dem Treppenhaus war getrübt. Melanie warf einen Blick die Treppe hinauf, wo Jessica sich am Geländer abstützte, bekleidet nur mit Slip und dem an einer Schulter abgerissenen BH , und dann sah sie Seans Rücken am Ende des Rasens, wo die Autos eine Schattenbank am Bordstein bildeten. Er schrie etwas: zerfetzte, wütende Silben, die niemandem verständlich gewesen wären, nicht einmal einem Theoretiker, doch dann sah sie, daß noch jemand anders dort mit ihm war, eine dunkle, schemenhafte Gestalt, die sich über heftig arbeitenden Füßen auf dem Asphalt abzeichnete. Sie war jetzt näher, sie rannte, Seans Füße leuchteten in der Nacht, die langen weißen Balken seiner Beine und die Breite seines Rückens – er schien mit

Weitere Kostenlose Bücher