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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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– nein, sie hatte keine Arbeit –, und auch alle Zeit, die sie für diesen Mann, diesen Fremden, diesen Penner erübrigen konnte, war bereits aufgebraucht, denn aus der Küche drang Rauch, und die Sonnenblumenkerne verbrannten in der Pfanne.
    Es war nach acht, als sie von der Arbeit heimfuhr, und sie fühlte sich so erschöpft, als wäre sie im achten Monat statt im zweiten. Der Tag ging weich in den Abend über, Vogelschwärme fielen im Sturzflug in die Palmen entlang des Mittelstreifens ein, Jogger und Inlineskater waren zu Schatten an der Peripherie ihres Gesichtsfeldes geschrumpft. Während des Nachmittags hatte sich der Nebel am Horizont eingerollt wie ein Teppich, doch jetzt drängte er näher und sie konnte ihn schon in der Luft riechen – es würde wieder eine dichte, undurchdringliche Nacht werden. Sie parkte und ging den Fußweg entlang, dabei sah sie, daß die Mieterin über ihr – Jessica, Jessica Irgendwie, die erst seit einem Monat hier wohnte und so krankhaft schüchtern war, daß sie sich beim Sprechen immer beide Hände vors Gesicht hielt, so als wäre ein lebendiger, sprechender Mund irgendwie peinlich – etwas mit dem Blumengarten angestellt hatte. An einigen Stellen sah man frische braune Erde, als wäre vor kurzem umgegraben worden, und ein Spaten lehnte an der Hauswand. Nicht daß das Melanie störte – sie hatte noch nie einen grünen Daumen gehabt, und für sie waren Pflanzen einfach Pflanzen. Wenn Jessica Blumen setzen wollte, kein Problem; wenn sie sie wieder ausbuddeln wollte, auch kein Problem.
    Sean war in der Küche, schepperte mit den Töpfen und sang – kläffte – bei einer Wagneroper mit, der einzigen Musik, die er sich je auflegte. Und welche war das jetzt? – sie hatte sie alle schon tausendmal gehört. Ach ja, Siegfried ging gerade zu Boden: Götterdämmerung . Sean bereitete seinen berühmten Shrimp-Avocado-Salat zu, er war tief in irgend etwas versunken – Wagner, Theorie, vielleicht war es auch ein Testosteronschub – und sah kaum auf, als sie ins Schlafzimmer hinüberschlurfte. Ihr Fehler war, daß sie gleich die Schuhe auszog, die flachen Treter, die sie ihren Füße zuliebe trug – in der Bibliothek lag immer ein automatisches Lächeln auf ihrem Gesicht –, denn sobald sie die Schuhe abgestreift hatte, verlor sie das Gleichgewicht und mußte ihren Kopf aufs Kissen legen, nur einen Moment wenigstens.
    Die Götter von Walhalla waren zur Ruhe gebettet, und es herrschte Stille im Haus, als sie vom leisen Klicken der Schlafzimmertür erwachte. Sean stand im Lichtrahmen der Tür, die gelbe Kugel des Flurlichts hing über seiner Schulter wie ein gefesselter Trabant. Hinter den Fenstern war es dunkel. »Was ist los?« fragte er. »Ist dir übel oder so?«
    Stimmte das? Jetzt hatte sie die Gelegenheit, jetzt war der rechte Moment, es ihm zu sagen, die frohe Neuigkeit mit ihm zu teilen, eine Flasche Champagner knallen zu lassen, und gehen wir doch mal in ein nettes Restaurant, ein richtig nettes, und heben wir uns den berühmten Shrimp-Avocado-Salat für morgen früh auf. »Nein«, sagte sie. »Nein, bin nur müde, nichts weiter.«
    Beim Essen – mit Sean und Lacan und einem Zettelgewirr, dazu der Shrimps-Salat, Dosenlimo und als Beilage völlig unpassend eine Portion Grillbohnen »Ranch-Style«, ebenfalls aus der Dose – erzählte sie ihm von dem Mann an der Tür am Vormittag. »Er sagte, daß er Arbeit sucht«, sagte sie und wedelte mit ihrer Gabel voll Shrimps und Bohnen in dem Versuch, ihm die Szene zum drittenmal zu schildern, »und ich habe ihm eben geantwortet, daß ich keine Arbeit für ihn habe. Das war’s. Ende der Geschichte.«
    Sean hatte in letzter Zeit eine Furche unmittelbar über dem Nasenansatz ausgebildet, eine V-förmige Vertiefung, die auch eine Narbe oder die Spur eines heißen Brandeisens hätte sein können. Sie verschwand, wenn er schlief oder sich mit einem Bier und der New York Times auf dem Sofa lümmelte, doch jetzt war sie da, tiefer als je zuvor. »Du sagst, er war Mexikaner?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte sie, »aber ein Latino jedenfalls. Ich hatte Angst. Er hat mir wirklich Angst eingejagt.«
    Lange Zeit herrschte Schweigen. Die Uhr, die ihre Mutter ihr geschenkt hatte, tickte dramatisch auf dem Bücherregal aus Ziegelsteinen und Brettern im Flur, draußen zischte irgend jemandes Rasensprenger, und das gedämpfte Gebrabbel des Fernsehers von Jessica Irgendwie sickerte durch die Decke – fast rechnete Melanie auch noch mit dem

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