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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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Dreck um die Blumen oder die Bäume oder darum, daß überall am Haus der Putz abbröckelte und die Zierkanten von der Sonne oder von irgendwas anderem völlig ruiniert waren. »Booters!« hatte er gerufen, auf einmal wütend, er wußte gar nicht, worauf. »Booters! Komm schon her!«
    Und dann war er gestürzt.
    Vielleicht hatte der Rasen ein leichtes Gefälle, vielleicht war er in ein Erdhörnchenloch getreten oder über eine Rasensprengerdüse gefallen – das mußte es gewesen sein –, aber jedenfalls lag er jetzt hier, auf dem Gras, hingestreckt wie ein Toter unter dem Pfefferbaum, und er schaffte es ums Verrecken nicht wieder auf die Beine.
    Nie im Leben habe ich jemanden so sehr begehrt, von der Minute an, als ich von der Uni nach Hause kam und dich hier sitzen sah, und es ist mir egal, ob du die Frau meines Vaters bist, mir ist jetzt einfach alles egal... Eunice nippte an ihrem Drink – Wodka und Soda, schal wie sonstwas, aber von Saft kriegte sie immer Dünnpfiff – und nickte völlig ergeben, als das Ex-Unterwäsche-Model, das jetzt Seriendarstellerin war, in die Arme eines Schauspielers mit kantigem Kinn sank, dessen Gelfrisur so feucht glänzte wie eine Frikadelle, frisch aus der Pfanne. Der Bildschirm wurde für den Bruchteil einer Nanosekunde dunkel, ehe er zu einem fröhlichen Werbespot für Hämorrhoidenzäpfchen überblendete, und sie gab sich einem kleinen Tagtraum über jenen Moment hin, als Walt sie das erstemal in die Arme genommen hatte.
    Sie waren damals jung gewesen. Jünger jedenfalls. Ein gutes Stück jünger. Sie war dreiundvierzig und kinderlos, arbeitete am Ausleihschalter der Bücherei, während ihr Mann einen schlechtgehenden Druck- und Kopierladen führte, und Walt, fünf Jahre jünger als sie und mit dem massigen Brustkorb und den stolzgeschwellten Armmuskeln des passionierten Bodybuilders, war Sportlehrer an der Highschool des Ortes. Nach der Arbeit ging sie gern in die Cocktailbar des Miramar Hotel, nur um zu sehen, wer alles dort war, und sich ein bißchen zu entspannen nach einem dieser Tage, an denen sie Karteikarten mit der Schreibmaschine beschriftete und fünfzehn bis zwanzig Cent Überziehungsgebühren von böse geborenen und reich verheirateten Frauen mit Schönheitssalonfrisuren und zuviel Tagesfreizeit kassierte. Eines Tages betrat sie die Bar, in schimmernde Nebelschwaden gehüllt, und da war Walt, thronte an der Theke wie ein Monument der Männlichkeit, der Schlips saß leicht schief, die Ärmel seines weißen Oberhemds waren hochgekrempelt und entblößten die mächtigen Blöcke seiner Unterarme. Sie setzte sich an einen der Tische, bestellte etwas zu trinken – damals war es noch Wodka Grapefruit, als Longdrink – und zündete sich eine Zigarette an. Als sie aufblickte, stand er vor ihr. »Wissen Sie nicht, daß Rauchen Ihre Gesundheit gefährdet?«
    Sie ließ sich Zeit, schlug die Beine unter dem Tisch übereinander und rutschte mit dem Hinterteil herum, bis sie bequem saß. Sie hatte Filme mit Ava Gardner gesehen. Und mit Lauren Bacall auch. »Sagen Sie mir das«, sagte sie langsam und gedehnt und stieß dabei lässig den Rauch aus, »wenn ich eine alte Lady bin.«
    Darauf lachte er und nahm Platz, sie kamen ins Gespräch, und es dauerte nicht lange, da traf er sie dort jeden Nachmittag um fünf, während ihr Mann unter Eilaufträgen in letzter Minute stöhnte und seine Frau sich in der eigenen Küche um den Verstand soff. Und als es soweit war – ihre erste Umarmung –, da klammerte sie sich an ihn wie eine Ertrinkende.
    Jetzt aber flimmerte der Bildschirm wieder kurz, auf The Furious Hours folgte Riddle Street , der Wodka mit Soda floß von ihren Lippen in sie hinein wie eine Blutauffrischung, und sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück, um zuzusehen, wie die Heldin – eine dieser überlebensgroßen Schlampen der Nachmittagsserien – den nächsten Mann zu Kleinholz machte.
    Das witzigste war, daß ihm gar nichts weh tat, jedenfalls nichts Bestimmtes oder irgendwas mehr als sonst – die Arthritis in beiden Knien und der unbehandelte Leistenbruch, der sich anfühlte, als ob da ein Tier unter seiner Haut lebte und sich mit Zähnen und Klauen zu befreien versuchte –, nein, gebrochen hatte er sich nichts, da war er sicher. Aber irgend etwas stimmte trotzdem nicht mit ihm. Ganz und gar nicht. Weshalb sonst lag er hier auf dem Rücken und hörte dem Gras beim Wachsen zu, während die Wolken zu Geistern in flatternden Gewändern wurden, dann ins Nichts

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