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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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Nur daß ihres an eine Alarmanlage angeschlossen war.
    Lange Zeit lag sie nur so da und starrte aus dem Fenster, sah zu, wie die ausgebleichte Sonne über einen Himmel rutschte, der soviel Farbe hatte wie das leere Rauschen im Fernseher, und dann stellte sie sich auf einmal einige Dinge so vor, wie sie vor Äonen ausgesehen hatten, als alles grün gewesen war. Sie sah den Azaleenbusch in voller Blüte, die Blätter, die aus den Zweigen schossen, Distelfalter – oder waren das Kohlweißlinge? – flatterten um die Blumen. Tiefgrün. Das war die Farbe der Welt. Und sie erinnerte sich auch an eine Nacht, im vorvorigen Sommer, kurz nachdem sie und Jeremy miteinander zu gehen begannen: die Grillen zirpten, in der Luft lag eine feuchte Schwere, und er sang mit dem Autoradio mit, seine Stimme so süß und rein, als hätte er das Lied selbst geschrieben, nur für sie. Und als sie dort ankamen, wo sie ankommen wollten, am Ende dieser dunklen Allee im Schatten der Bäume, an dem Ort, wo alles sehr intim und still war und wo die Nacht in sich zusammenstürzte, als könnte sie die Last der Sterne nicht tragen, da war er ebenso nervös wie sie. Sie ließ sich von ihm umarmen, und sie küßten einander, seine Lippen suchten im Dunkel die ihren, seine Finger bebten über der dünnen, nachgiebigen Seide ihrer Bluse. Er war Jeremy. Er war die Liebe ihres Lebens. Und sie schloß die Augen und klammerte sich an ihn, als wäre alles andere ohne Bedeutung.

Rost
    Das da oben war der Himmel, heiß und mit dem Spiegelei der Sonne mittendrin, und das hier unten war der Boden, hart und mit einer Schicht aus versengtem Gras, dem Geruch nach Erde und verrottendem Laub, und egal, wieviel er brüllte, es schien nicht allzuviel dazwischen zu geben. Was er jetzt hätte brauchen können, das war ein Glas Wasser. Er lag hier nun schon wie lange, eine Stunde vielleicht, und die Sonne hatte sich nicht bewegt. Jedenfalls nicht so, daß er was davon bemerkt hätte. Seine Lippen waren trocken, und er spürte, wie all die ultravioletten Strahlen ihm die Haut vom Gesicht herunterbrannten, ein Stück Fleisch auf dem Grill, gebratene Truthahnhaut, kroß und saftig, einzelne Streifen hoben sich brutzelnd ab. Aber er hatte keinen Hunger – er hatte seit langem überhaupt nie Hunger. Es war nur ein Bild in seinem Kopf. Einen Stuhl hätte er allerdings gut brauchen können und dann jemanden, der ihm aufhalf und ihn draufsetzte. Und etwas Schatten. Vielleicht etwas Eistee, ein Glas, an dem Perlen kühler Feuchtigkeit hinabliefen.
    »Eunice!« brüllte er, doch die Stimme verwelkte ihm glatt in der Kehle. »Eunice, verdammt noch mal, Eunice!« Und dann, weil er alt und wütend war und sowieso auf nichts was gab, rief er um Hilfe. »Hilfe!« krächzte er. »Hilfe.«
    Aber niemand hörte ihn. Der Himmel hing über ihm wie eine zerschlissene Gardine, Wolkenfetzen drapierten sich um den hohen grünen Wipfel des Pfefferbaums, den er vor vierzig Jahren gepflanzt hatte, an dem Tag, als sein Sohn geboren wurde, er konnte den Fernseher in voller Lautstärke hinter den geschlossenen und verriegelten Fenstern brabbeln hören, dazu das Brausen der Klimaanlage, und wo war bloß dieser verdammte Köter? Das war’s. Jetzt fiel es ihm ein. Der Hund. Er war hinausgegangen, um nach dem Hund zu sehen – der war schon zu lange draußen, zu lange für sein Geschäft, und Eunice hatte ihren vertrockneten alten Lampenschirm von Kopf kurz von der Glotze abgewandt und gefragt: »Wo ist denn der Hund?« Er hatte keine Ahnung, wo der Hund war, aber wußte, wo sein erster Bourbon mit Wasser dieses Tages war – nämlich genau vor ihm, auf dem Fernsehtischchen –, und es war auch bereits elf Uhr mittags, also spät genug dafür. »Woher zum Teufel soll ich das wissen«, hatte er geantwortet, »du hast ihn doch rausgelassen«, worauf sie gleich mit irgendeiner oberschlauen Anweisung gekontert hatte, etwa: »Na, dann solltest du wohl besser in den Garten raus und mal nachsehen, was?«
    Eigentlich war er lange nicht mehr im Garten gewesen – es schien ihm Jahre herzusein –, und als er zur Hintertür hinaustrat und die Stufen hinunterging, stand er staunend vor den Büschen in voller Blüte, vor der Klettertrompete, die die Rückfront des Hauses im Würgegriff gepackt hielt, und er erinnerte sich an eine Zeit, als ihn das alles noch gekümmert hatte, die Natur und die Blumen, Pflanzerde und Pferdemist. Heute war ihm der Garten so fremd wie die Wüste Gobi. Er scherte sich einen feuchten

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